Die Kunst, nicht abzustumpfen
wechselt, schalten Sie das Gerät aus. Spüren Sie nach und beobachten Sie Ihre Gefühle. Achten Sie darauf, dass Sie nicht innerlich ins Theoretisieren oder Schimpfen kommen. Bleiben Sie bei sich und Ihren Empfindungen, Gedanken, Assoziationen, Erinnerungen usw.. Beobachten und notieren Sie; so lange, bis Sie den Eindruck haben, dass Sie alles Wichtige aufgeschrieben haben.
Noch sinnvoller ist es, diese Übung im vertrauensvollen Kreis von Familienangehörigen oder Freunden durchzuführen oder (z. B. im Rahmen eines Workshops) mit anderen Eltern Ihrer Schulkinder. Bereiten Sie die Teilnehmenden entsprechend vor: Stellen Sie die Übung und Ihre Motivation dafür vor. Erklären Sie das Vorgehen, den zeitlichen Rahmen und die »Spielregeln« und holen Sie das Einverständnis der Teilnehmenden ein; niemand darf sich gedrängt fühlen, daran teilzunehmen.
Zu den Regeln gehört, dass nach Ausschalten des Fernseh-Gerätes nicht diskutiert werden soll; es sollen auch keine Lösungsvorschläge dargelegt oder über »die Politiker« gelästert werden. Vielmehr geht es darum, in Kontakt zu treten mit den je eigenen Emotionen, die durch die Nachricht ausgelöst wurden. Diese können von Person zu Person sehr verschieden sein. Stellen Sie von vornherein klar, dass Gefühle »sind« und daher nicht bewertet, belächelt oder »ausgeredet« werden dürfen. Sie sind zu respektieren, ebenso wie auch »abwehrende« Reaktionen, mit denen ein Teilnehmer sich vor Emotionen zu schützen sucht.
Nach Ausschalten der Nachrichten-Sendung sollte zunächst eine Phase der Stille folgen, in der jede/r der Anwesenden bei sich bleiben und ihre/ seine Gefühle notieren kann. Nach einiger Zeit, wenn Sie den Eindruck haben, dass alle fertig mit Schreiben sind (dies können, je nach Situation, 10 Minuten sein, mal mehr, mal weniger), kündigen Sie an, dass ab jetzt die Möglichkeit besteht, über das zu sprechen, was die Anwesenden empfunden haben.
Machen Sie deutlich, dass dies freiwillig geschieht (»jeder darf, niemand muss sich äußern«); niemand sollte sich gedrängt fühlen; auch die Reihenfolge sollte nicht vorgegeben werden. Die Mitteilungen einer Person dürfen nicht von anderen kommentiert oder diskutiert werden. Um die Aufmerksamkeit auf die jeweils sprechende Person zu richten und ein Durcheinander-Sprechen zu vermeiden, ist es hilfreich, ein Sprechobjekt (z. B. einen schönen Stein oder verzierten Stab, »talking stick«) zu verwenden, den die jeweils sprechende Person in der Hand hält und der nächsten weiterreicht.
Ihre Aufgabe als Moderator/-in der Runde ist es, auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Falls nötig, können Sie, um das »Eis zu brechen«, den Austausch eröffnen. Sorgen Sie dafür, dass der Austausch nicht durch einen Vielredner dominiert wird und nicht ins Debattieren abgleitet. Es ist auch wichtig, eventuelle Phasen der Stille auszuhalten. Vertrauen Sie dem Prozess.
Hoffnungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen
Unsere Zeit benötigt notwendig eine Kultur des Umgangs mit unseren Schmerzen über die Welt (und solange eine solche Kultur fehlt, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn diese Emotionen auf anderen Wegen, in destruktiver Weise, zum Ausbruch kommen, z. B. durch brennende Autos oder andere Formen von Gewalt). Dabei ist zunächst das Tabu zu überwinden, wonach »darüber« nicht gesprochen wird. Allerdings lassen sich solche Gespräche auch nicht erzwingen, etwa indem man einem Mitmenschen maximal bedrohliche Informationen oder Bilder aufzwingt. Dies könnte unter Umständen dazu führen, dass dessen Abwehr nur noch verstärkt wird.
Vielmehr kommt es darauf an, den Menschen Möglichkeiten zu bieten, ihre Sorgen, die im Grunde jeder Mensch in sich trägt, mitzuteilen. Dazu kann es hilfreich sein, jemanden zu
fragen: »Bist Du auch manchmal beunruhigt, wenn Du Nachrichten hörst?« Es geht hierbei nicht um das Diskutieren von politischen Meinungen, denn über Meinungen lässt sich immer streiten, nicht aber über Emotionen (Macy 1988, 64).
Besonders wichtig ist es, mit den diesbezüglichen Gefühlen von Kindern und Jugendlichen umzugehen. Denn schon mit vier bis sechs Jahren kennen Kinder zum Beispiel den Begriff Atombombe und ahnen deren Zerstörungspotential. Die Informationen darüber sind überall in unserer Kultur zu finden, von Comics bis hin zu Fernsehsendungen und Internet. Daher hilft es auch nichts, ihnen – gutgemeint – das Wissen darüber fernhalten zu wollen.
Vielmehr wird durch
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