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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elis Fischer
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einmal vor lauter Scham darüber im Boden versinken zu wollen. Als ihr die Tränen kamen, hielt Theresa sie nicht zurück. Sie hängte sich bei ihren Freunden ein, um von ihnen und dem Touristenstrom mitgezogen zu werden.
    Dino schnarchte leise in seinem Hochbett. Theresa lehnte an der Kinderzimmertür und beobachtete, wie sich die Decke mit jedem Atemzug ihres Sohnes hob und senkte. Leon ergriff ihre Hand.
    »Komm, du hast ihn morgen den ganzen Tag. Erzähl endlich, was passiert ist.«
    Sie setzten sich im Wohnzimmer aufs Sofa, kuschelten sich unter eine warme Decke und Theresa berichtete stockend, dass Wenz tot und die ›Krönung‹ weg war. Sie machte eine kurze Pause und schmiegte sich enger an ihren Mann. »Es ist unvorstellbar!
    Jemand, den ich gekannt habe, ist ermordet worden.«
    »Das ist nicht sicher, es könnte auch ein Unfall gewesen sein.
    Warte ab, was Kiesling morgen sagen wird.« Leon nahm sie fest in die Arme und streichelte ihr über die Haare. »Falls er getötet wurde, hat das nichts mit uns zu tun«, versuchte er seine Frau zu beruhigen.
    »Und wenn doch? Was, wenn das Gemälde ein echter Rubens ist? Und Wenz hat es entdeckt? Er hat von dem Bild geschwärmt, von der einzigartigen Technik, der wunderbaren Komposition.
    Vielleicht hat der Vignettenschreiber einen Fehler gemacht oder einer der schlechten Restauratoren. Was, wenn Wenz jemandem davon erzählt hat und der …«
    »Schatz, du und deine Fantasie! Lass die Polizei ihre Arbeit machen, die werden das aufklären. Ich wette, es gibt für alles eine plausible Erklärung. Beziehungstat oder so was. Es sind doch immer Beziehungstaten.«
    Theresa legte ihren Kopf auf seine Schulter. Bestimmt hatte er recht … Trotzdem würde sie ein bisschen nachforschen.
    Arcetri, Dezember 1633
    Carissimo et illustrissimo mio amico Teuerster Freund!
    Nunmehr komme ich zu Eurem Brief, für den ich mich vielmals bedanken will. Ihr habt mich um einen Bericht meiner Verfolgung gebeten. Die verflossenen Kümmernisse waren nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Ich wurde in Rom fünf Monate gefangen gehalten, doch der sogenannte Kerker war das Haus des Botschafters der Toskana, von welchem ich so zuvorkommend behandelt wurde, als ob ich sein Vater wäre. Nach Abschluss des Verfahrens verurteilte mich seine Heiligkeit wieder zu Kerker, und zwar im großherzoglichen Palast von Trinità dei Monti. Von dort wurde ich für fünf Monate Haft nach Siena überstellt.
    Ihr seht, der Kerker war so grausam nicht. Nur, dass ich das Fehlurteil der Heiligen Offizien über mich ergehen lassen musste, und dass ich gegen jedwedes bessere Wissen widerrufen habe, das war schlimmer als Folter. Ich weiß nicht, wie ich mir diesen Meineid verzeihen soll.
    In Siena durfte ich an meinen Traktaten weiterarbeiten, aber ausschließlich auf dem Gebiet der Mechanik. Die Beschäftigung mit der Astronomie wurde mir strikt untersagt. Doch ich konnte Besuche empfangen und wurde aufs Allerbeste behandelt.
    Schließlich gestattete man mir vor einigen Tagen, mich von Siena in mein Landhaus zurückzuziehen, woselbst ich mich gerade befinde. Diese Übersiedlung nach Arcetri gewährte man mir mit der Auflage, dass ich mich nicht in die Stadt hinunter begebe und mich vom Hof des Fürsten fernhalte. Ich bin aber guter Hoffnung, dass dieses Verbot bald gelockert wird, so wie der Kerker eine gute Unterbringung bei Freunden war.
    Ich werde versuchen, Euch baldigst wieder zu schreiben, und freue mich schon auf ein Wiedersehen. Gott möge bei unseren weiteren Vorhaben mit uns sein!
    Innigst,
    Euer Freund G.

Kapitel 4
    Wien, Montag, 4. November
    »Du hast mich die ganze Nacht getreten. Es war furchtbar, ich wollte schon ins Wohnzimmer auswandern«, beschwerte sich Leon am nächsten Morgen mit einem unterdrückten Gähnen.
    »Entschuldige, ich hatte einen irren Traum. Ich war dauernd auf der Flucht.« Sie küsste ihn und schüttelte den Kopf. »So ein Unsinn.
    Vor wem sollte ich denn fliehen?«
    Nachdem ihre zwei Männer zum Kindergarten aufgebrochen waren, machte sich Theresa übermüdet auf den Weg zur Polizei.
    Sie nahm die Straßenbahn, weil sie zu unkonzentriert war, um selbst zu fahren. Außerdem hasste sie den morgendlichen Stoßverkehr. In der Tram lehnte sie den Kopf gegen die Fensterscheibe und beobachtete die Sonne, die jetzt erst aufging.
    Sie seufzte. Die Tage wurden immer kürzer, immer kälter, immer dunkler. Und jetzt musste sie auch noch zu Kiesling.
    Eine Mitarbeiterin des

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