Die Kunstjaegerin
erst strahlen, er ist im Keller. Du kannst gleich zu ihm sausen«, sagte Rena lachend und schob Dino ins Haus. Eine Sekunde später war er verschwunden.
»Komm mit in die Küche, ich stelle Teewasser auf. Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs? Toll, dich zu sehen.
Obwohl ich sagen muss, du siehst nicht gut aus.«
»Mir geht es auch nicht sonderlich.«
Theresa setzte sich an den Küchentisch und erzählte ihre Geschichte. Nachdem sie fertig war, fragte Rena sichtlich mitgenommen: »Reicht Tee oder sollen wir noch etwas anderes trinken?«
»Bitte nur Tee – zur Beruhigung. Darf ich kurz Boris anrufen?«
»Klar«, antwortete Rena und durchsuchte ihre Vorräte.
Boris hob beim ersten Läuten ab. »Kannst du mir jetzt endlich sagen, was los ist?«
»Bei uns wurde eingebrochen und ich musste flüchten. Würdest du mir noch mal helfen? Ich glaube, ich bin da auf eine Spur gestoßen, die vielleicht mit all diesen furchtbaren Ereignissen zusammenhängt.« Theresa bat ihn, die Todesanzeige von Dreiseitls Frau zu suchen. Sie machte eine kurze Pause und dachte nach.
1986 hatte sie mit der Schule begonnen, Ambrosius war damals bereits verwirrt gewesen. Das bedeutete, Frau Dreiseitl musste auf jeden Fall vorher gestorben sein. Als sie Boris sagte, er könne seine Recherche auf die Zeit zwischen 1970 und 1986 eingrenzen, stöhnte er. »Gut, ich werde die Nacht durcharbeiten.«
»Es ist nicht so dringend. Kiesling hat mich informiert, dass sie die DNA von Remberts Mörder haben, also werden sie ihn hoffentlich bald schnappen. Aber danke und bis bald.«
Theresa legte das Handy weg und ging zu Rena, die gerade den Tee aufgoss. »Ich will dir nicht weiter vorjammern, erzähl mir vom idyllischen Landleben. Ich brauche positiven Input.«
»Gerne«, antwortete ihre Freundin und räumte das Geschirr auf den Tisch. »Nur ist es mit der Idylle so eine Sache, ich hatte vergessen, wie es hier wirklich ist. Nach 15 Jahren in Wien dachte ich, alles sei schöner, grüner, gesünder und friedlicher. Aber ich hätte mich an meine Kindheit im Dorf zurückerinnern sollen, um zu wissen, dass der Mikrokosmos genauso grauslich, grau, ungesund und zänkisch ist.«
»Hm, das klingt nicht aufmunternd«, erwiderte Theresa bedrückt und nahm sich einen Apfel aus dem Weidenkorb neben dem Küchentisch.
»Ich glaube momentan, dass der Umzug der größte Fehler war, den ich seit Langem gemacht habe.«
»Wieso?« Theresa sah aus dem Fenster. Hier war es doch so wunderbar ruhig, seit ihrer Ankunft war noch kein einziges Auto die Straße entlanggefahren. Jeder Verfolger würde hier auffallen, wie ein … Ja, wie ein weißer Porsche Cayman mit schwarzen Felgen und roten Bremsschreiben.
Erst jetzt kam sie dazu, das Wunderding, das sie unter einer Laterne geparkt hatte, genauer zu begutachten. Boris hatte wirklich ein schnittiges Gefährt.
Rena unterbrach ihre Betrachtungen. »Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es die Aufklärung noch nicht bis aufs Land geschafft hat.«
»Was meinst du damit, Sexualkunde oder Epoche der geistigen Entwicklung?«, fragte Theresa schmunzelnd.
»Die Epoche natürlich. Ich habe Kaspar zum großen Ärger des hiesigen Direktors in eine Waldorfschule im Nachbarort gegeben.
Seither mobbt er uns, wo er nur kann. Und so einer erzieht unsere Kinder! Ja, ja, Pfarrer und Schulleiter sind die einzigen Instanzen am Land. Jeder, der anders ist oder progressiv denkt, wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bildlich gesprochen, natürlich.«
Bei diesen Worten klingelte etwas in Theresa Hirn. Irgendetwas, das sie vergessen hatte, aber Rena sprach weiter und der Gedanke verflüchtigte sich.
»So, ich hole mir jetzt doch ein Glas Wein, bist du sicher, dass du keinen willst?«
»Na, wenn du mich so überredest, gerne.«
Theresa stand auf und schaute ihrer Freundin über die Schulter.
Die öffnete einen Küchenkasten, der randvoll mit Einmachgläsern war.
»Was ist das, bitte?« Theresa blieb der Mund offen stehen.
Rena lachte. »Der gute Teil des Landlebens. Ich habe heuer meine erste Ernte eingefahren. Falls du etwas willst, bitte bedien dich. Es ist schon komisch, wie man sich ändert. Vor ein paar Jahren wäre uns Gemüse nur als Olive für den Martini ins Haus gekommen, oder?«, sagte Rena. »Ich habe leider keinen hier, aber der Lambrusco tut’s auch.«
Bei einigen Gläsern Wein plauderten die beiden über alte Zeiten und vergaßen darüber die düstere Gegenwart. Kurz nach Mitternacht ging Theresa zu Dino, den sie
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