Die Kunstjaegerin
Boris für seine Hilfe und legte auf. Der arme Dreiseitl hatte Frau und Baby verloren und sie waren immer gemein zu ihm gewesen. Wie grausam Kinder sein konnten. Sie hätte zu seinem Begräbnis gehen sollen, um ihm wenigstens die letzte Ehre zu erweisen.
Plötzlich durchfuhr es sie wie ein Blitz. Begräbnis, Pfarrer, Kirche, Papa! Sie musste zum Gedenkgottesdienst! Heute! Sie hatte es ihrer Mutter versprochen. Das war es gewesen, was ihr nicht einfallen wollte! Die Messe sollte um 17 Uhr beginnen.
Theresa blickte auf den Porsche, der geduldig auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand. Das könnte sich noch ausgehen.
»Rena, entschuldige, ich stehe unangemeldet vor deiner Tür und breche genauso unvorbereitet wieder auf. Ich habe den Gottesdienst für meinen Vater völlig vergessen. Darf ich Dino in der Zwischenzeit bei dir lassen?«
Fünf Minuten später saß sie in ihrem Boliden und brauste los. Es dämmerte bereits, Nebelschwaden hingen tief und leichter Nieselregen, der die Fahrbahn rutschig machte, setzte ein. Während sie konzentriert auf die A 2 in Richtung Hart-berg fuhr, erblickte sie im Rückspiegel einen Sportwagen. Er kam schnell näher und wechselte auf die linke Spur. Als er auf gleicher Höhe war, wurde er langsamer und Theresa spürte, dass der Fahrer herübersah. War das der Mörder? Das konnte nicht sein, wie hatte er sie gefunden?
Würde er jetzt eine Pistole ziehen und sie zwingen stehen zu bleiben?
Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie trat aufs Gaspedal.
Das andere Auto tat es ihr gleich und blieb neben ihr. Als sie verlangsamte, drosselte der Fahrer ebenfalls die Geschwindigkeit.
Wurde sie verfolgt oder war es einfach ein Trottel, der sich von einem Porsche provoziert fühlte? Für einen Verfolger verhielt er sich zu auffällig, es musste ein Trottel sein.
Sie sah unauffällig hinüber. Der Fahrer machte ein Zeichen, es sah so aus, als ob er mit ihr etwas trinken gehen wollte. Sonst noch was? Und deshalb erschreckte er sie so! Genervt schüttelte sie den Kopf, hob die Hand und deutete auf ihren Ehering. Lieber hätte sie ihm etwas anderes gezeigt.
Der Sportwagenbesitzer zuckte gleichgültig mit den Schultern.
Theresa seufzte. Komische Männer, wohin sie sah.
Sie stieg aufs Gas, reizte alle 250 PS aus und verwies ihren Galan elegant auf seinen Platz. Sie hatte jetzt wirklich keine Zeit zum Spielen. Sie musste rechtzeitig nach Pöllau kommen.
Mit quietschenden Reifen parkte sie sich am Hauptplatz ein, hetzte zum Dom, blieb vor dem Eingang kurz stehen, um zu verschnaufen, und blickte nach oben zur imposanten Kuppel. Der Pöllauer Dom, die größte barocke Kirche der Steiermark, war eine kleinere Nachbildung des Petersdoms. Was Theresa als Kind aber weit mehr fasziniert hatte, war die Geschichte, die ihr Vater jeden Sonntag beim Messgang erzählt hatte. Bei der Trauung ihrer Eltern waren ein paar Fliegerkollegen mit einer Sportmaschine zwischen Kuppel und Glockenturm hindurch geflogen. Und der Pfarrer hatte wegen des schrecklichen Lärms mitten in der Zeremonie angefangen zu fluchen. Jaja, die Männer Gottes.
Theresa betrat den Vorraum der Kirche und sog den Geruch von Weihrauch, feuchten Wänden und dampfenden Mänteln ein. Auf Zehenspitzen schlich sie zur ersten Reihe. Vorbei an ein paar Verwandten, die sie strafend anblickten, weil sie ein paar Minuten zu spät gekommen war. Glücklicherweise hatte Cousine Hilda ihr einen Platz frei gehalten. Als sie sich auf die Holzbank gleiten ließ, entspannte sie sich. Geschafft.
Ihr Blick wanderte zum Altar. Sie stutzte. Durfte das wahr sein?
Der Geheimbund vom Friedhof marschierte neben dem Pfarrer auf.
Warum in Gottes Namen waren die hier?
Die Männer begannen das ›Kyrie Eleison‹ zu singen und Theresa wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Der Pöllauer Gesangsverein! Was hatte sie sich da unter tatkräftiger Mithilfe von Flora nur zusammengereimt? Stumm leistete sie Abbitte bei Leon, schwor ihm, dass sie nie mehr überreagieren würde. Dann war die Wanze im Handy doch das Spielzeug seines Technikfreundes gewesen. Dann gab es keine geheime Vereinigung und keine Verfolgung. Dann … Aber der Mord und die Einbrüche? Die Drohung gegen Dino? Das konnte sie nicht wegdiskutieren.
Vom Gottesdienst bekam sie nichts mehr mit, erst als der Chor das ›Agnus Dei‹ anstimmte, fiel ihr ein, warum sie hier war. Sie sah nach oben und entschuldigte sich in Gedanken bei ihrem Vater für ihre Unaufmerksamkeit.
»Ich habe eben
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