Die Kunstjaegerin
künstlichen Tiefschlaf. Die Ärzte wissen noch nicht, ob er Gehirnverletzungen davongetragen hat.«
»Ich versuche sie gleich anzurufen. Nachher können wir ausführlich darüber reden.«
Gerade als sie Floras Nummer wählen wollte, klingelte das Telefon erneut.
»Zurück vom Törggelen grüße ich dich, ma chère. Außerdem möchte ich wissen, wie es euch geht«, sagte Paul gut gelaunt.
»Setz dich ins Auto und komm her. Dann erhältst du ein Update, nur …«, Theresa warf einen Blick auf den Esstisch. »Die Croissants sind aus. Hat Kiesling alle gefuttert. Aber es gibt Kaffee und viele Neuigkeiten.«
»Der Inspecteur war bei euch? Ich fliege, ähm, eile.«
Bald waren sie vollzählig, dachte Theresa, außer Flora. Wieder griff sie zum Handy, als es an der Tür Sturm läutete, begleitet von einem lauten Donnerschlag.
Leon öffnete und Flora stürmte grußlos in die Küche. Dort holte sie eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, sah sich suchend um und stutzte beim Anblick des vernagelten Fensters: »Wow, gibt es eine Taifun-Warnung? So schlimm wird das Wetter doch gar nicht.
Ach egal, hast du ein Glas für mich?«
»Es … es ist noch nicht mal 9 Uhr«, sage Theresa vorsichtig.
»Na und? Dieser elende Schmierenkomödiant!«, schimpfte Flora und schenkte Theresas leeren Kaffeebecher voll. Dann nahm sie einen großen Schluck. »Ist seit heute Früh wach und stellt sich weiter todkrank, nur um zu hören, was wir über ihn reden. Ich hasse ihn! Wieso falle ich immer wieder auf ihn rein? Wie alle seine Frauen!« Sie roch an der Tasse und verzog angewidert das Gesicht. »Und ich lasse dich allein, in deiner schwierigsten Stunde.
Es tut mir leid. Männer, die sind wirklich das …« Sie unterbrach ihren Redeschwall, setzte sich und betrachtete noch mal das zugenagelte Küchenfenster. »Die Handwerker würde ich verklagen.
Wie sieht das denn aus?« Floras Blick wanderte zu Leon, der stumm in die Küche gekommen war. Sie deutete auf sein blaues Auge. »Ehekrach?«
»Nein, Wiedersehensfreude«, antwortete er. »Tut nicht mehr weh.«
»Meine Aggressionen habe ich vorher an den Fenstern ausgelassen«, sagte Theresa. »Nachdem ich die Morddrohung gegen Dino gefunden hatte.« Langsam konnte sie die Sache in Worte fassen.
Flora sprang vom Sessel. »Was? Und ich war nicht da, um dir beizustehen. Entschuldige. Lass dich drücken!«
»Du konntest doch nicht ahnen, was passiert. An deiner Stelle wären wir alle ins Krankenhaus gefahren.« Sie holte ihrer Freundin ein frisches Glas. »Und ehrlich gesagt, bin ich froh, dass du stinkwütend bist und nicht trauern musst.«
Bevor Flora etwas erwidern konnte, läutete die Türklingel.
»Sehr gut, jetzt muss ich die Geschichte nur einmal erzählen.«
»Mon dieu!«, resümierte Paul. »Da war ein Mörder hinter dir her, der möglicherweise zweimal bei dir eingebrochen, Dino bedroht und dich verwanzt hat. Und ich fahre stupid nach Südtirol, um Kastanien zu essen!«
»Was soll ich erst sagen? Ich bin nach Hamburg geflogen.«
Schuldbewusst senkte Leon den Kopf.
»Und ich saß am Sterbebett des größten Tragöden unseres Landes«, sagte Flora.
»Einer ist glücklicherweise immer da, der hilft. Macht euch keine Vorwürfe. Es ist vorbei.« Theresa schaute in die Runde.
Keiner sprach ein Wort.
Schließlich stand Boris auf, holte seine Laptoptasche und zog ein paar Ausdrucke heraus, die er über den Tisch schob. »Hier, Zeitungsberichte aus den 80er-Jahren: ein Artikel über den Mord an Ilse Dreiseitl und verdächtig viele Nachrichten über Einbrüche bei Antiquitätenhändlern rund um Pöllau, hauptsächlich in Graz.
Über zwei, drei Monate hinweg brach jemand in zwölf Geschäfte ein, wobei in den seltensten Fällen etwas gestohlen wurde. Die Polizei ging von Vandalismus beziehungsweise von Mutproben Halbstarker aus. Nachdem die Vorfälle ein Ende genommen hatten, verliefen die Ermittlungen im Sand.«
Nichts gestohlen – wie bei Ilse Dreiseitl. Theresa wiegte den Kopf hin und her. Und wie bei ihr, bei Schlager sowie beim zweiten Einbruch im Atelier. Es war immer nur um die ›Krönung‹
gegangen. Was war ihr Geheimnis? Weshalb wurde sie seit über 30
Jahren gesucht? Weshalb wurde dafür gemordet?
Leon sprach aus, was Theresa dachte: »Wieso will jemand dieses Gemälde um jeden Preis? Dass ein paar Astronomen darauf dargestellt sind, kann nicht der Grund sein. Ist es vielleicht doch ein echter Rubens?«
Boris zuckte mit den Schultern. »Hätten da nicht die
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