Die Kunstjaegerin
Kunsthistoriker, die Theresa angeschrieben hat, einen Verdacht geäußert? Die müssten das erkennen.«
»Experten sind auch fehlbar«, antwortete Theresa. »Aber ich will mir darüber nicht mehr den Kopf zerbrechen.« Sie stand auf und ging in die Küche. »Irgendwer Hunger? Ich mache ein paar Brote. Sonst endet unser Frühschoppen in einem Besäufnis.«
»Wir müssen auf jeden Fall Kiesling von den Einbrüchen unterrichten«, sagte Leon. »Vielleicht gibt es von den alten Ermittlungen noch Akten. Wurden damals schon Fingerabdrücke gesichert? DNA-Spuren?«
»Hören wir mit der Mördersuche auf«, rief Theresa aus der Küche.
»Ich will lediglich Kiesling informieren. Er muss den Rest erledigen«, erwiderte Leon lautstark.
»Wollt ihr nicht das Rätsel um das Bild lösen?«, fragte Boris vorsichtig.
Theresa knallte die Kühlschranktür zu. »Nein, lasst mich damit bloß in Ruhe!«
»Schatz, es ist vorbei! Dir und Dino kann nichts mehr passieren – außer du fährst zu schnell Auto. Apropos, haben wir euch schon erzählt, wie Kiesling Thesi vor der Zivilstreife gerettet hat?«
Arcetri, Oktober 1636
Carissimo et illustrissimo mio amico!
Teuerster Freund!
Wie erfreut war ich nach dem Erhalt Eures Briefes. Natürlich hat mich die Nachricht, dass es Euch gesundheitlich schlecht ging, betrüblich gestimmt, aber dass Ihr mir nicht gram seid, wie ich ursprünglich vermutet hatte, hat mein Herz erleichtert. Ich hätte den Verlust Eurer Freundschaft nicht verkraftet.
Heute habe ich eine wunderbare Nachricht, die ich Euch als Erstem mitteilen muss. Da ich immer gebrechlicher werde, meine Korrespondenz abnimmt und so die Zensoren wenig zu tun haben, und ich um nichts mehr ersuche, scheint die Kirche anzunehmen, ich hätte klein beigegeben, und gewährte meinem einstigen Schüler, dem Grafen von Noailles, mich zu besuchen. Er hatte sicher Dutzende Male bei Audienzen des Papstes für mich vorgesprochen und sich für mich eingesetzt. Nun – nach vier Jahren erhielt er die Erlaubnis zu einem Treffen. Am sechzehnten dieses Oktobers fanden wir uns beide etwas außerhalb von Arcetri ein. Und bei dieser Gelegenheit gelang es mir, dem Grafen heimlich ein Manuskript der ›Discorsi‹ zu übergeben, damit mein Werk nicht mit mir begraben, sondern verlegt werde, um es vielen Fachkennern zugänglich zu machen.
Ich fasse mich heute kurz, denn nach diesem erfolgreichen Treffen bin ich so positiv gestimmt, dass ich sofort weiterarbeiten muss.
Ach, und unser Bild wird wunderschön, ich fühle mich sehr gut getroffen.
Ich bete für Eure Gesundheit und dafür, dass es uns vielleicht doch noch einmal gelingt, uns von Angesicht zu Angesicht zu sehen.
Euer G.
Kapitel 11
Wien, Montag, 11. November
Endlich hatte er es! Jetzt musste er so schnell wie möglich nach Hause, er konnte es nicht erwarten, das Bild zu untersuchen, sein Geheimnis zu lüften. Er legte den fünften Gang ein und trat aufs Gas.
Dieser idiotische Schlager! Hätte er ihm das Bild nicht zu seinem Preis geben können? Nein, er wollte verhandeln, ihn nochmals treffen, andere Interessenten kontaktieren – ohne über den wahren Wert informiert zu sein. Als er Schlager mit der Pistole gedroht und eine weitere Verhandlung abgelehnt hatte, hatte er nur gelacht. Ein dummer Mann, der nicht wusste, wann es genug war.
Dieses Blut überall … Er hasste Blut.
Wieso waren die Menschen derart töricht? Auch die schwangere Frau damals. Niemals würde er den Anblick vergessen, wie sie dalag und endlich den Mund schloss. Dabei hatte der Tag damals gut begonnen. Nie hätte er sich träumen lassen, die Aufzeichnungen des alten Gutsverwalters zu entdecken. In einem Nebengebäude des Schlosses Schwarzbergen, dem Marstall, war er am Dachboden fündig geworden. Ganze Kisten voller Dokumente!
Nächtelang hatte er sie durchsucht – bis er die Liste der Käufer in den Händen hielt. Sofort war er zu diesem Dreiseitl gefahren, um endlich sein Bild zu holen. Und dann brüllte sie so … Brüllte so ohrenbetäubend laut.
»Wir wären wegen der Fenster hier.«
Theresa führte die zwei Arbeiter in die Küche, setzte sich und sah zu, wie sie die Bretter abnahmen, das restliche Glas entfernten und den Rahmen ausmaßen. Sie rührte gedankenverloren in ihrem Kaffee, blendete die hämmernden Männer aus und freute sich über das Licht, das in die Küche fiel.
Als die Handwerker weg waren, holte sie ihre Yogamatte. Seit Langem verspürte sie wieder Lust, ein paar Übungen zu machen.
Sie
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