Die Kunstjaegerin
ersten Tag in Florenz gewesen war, würde es nicht mehr werden. Jetzt schickte der Winter auch hier seine Vorboten.
Beim Abschied sagte Theresa zu Kiesling: »Ach, und könnten Sie dafür sorgen, dass ich den Rahmen für das Bild wiederbekomme? Er steht noch im Atelier von Wenz. Das sollte doch machbar sein, oder?«
Kiesling sah sie erst indigniert an, dann nickte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Als sie hinaustrat, flüsterte Theresa in Richtung Leon, der geduldig auf einem Stuhl gewartet hatte: »Schön, wenn die Polizei dir was schuldig ist und du kommandieren kannst.«
Kapitel 17
Florenz, Samstag, 16. November
»Was machen wir mit dem angebrochenen Samstag?«, fragte Flora und sah in die Runde, die am Frühstückstisch im Hotel Lorenzo de’
Medici versammelt war. »Aber bitte, keinen Spaziergang bei dem Wetter. Wann geht eigentlich unser Flug?«
»Wartet!« Leon holte sein Ticket aus der Jackeninnentasche.
»22 Uhr. Da haben wir noch eine Menge Zeit. Welches Museum?«
»Nein, das ist langweilig«, protestierte Dino. »Nur Bilder von Heiligen und Toten.«
»Da hat er irgendwie recht«, stimmte Boris zu. »Machen wir etwas Aufregendes und finden den unentdeckten Galileo.«
»Bis heute Abend? Das schaffen wir nie!« Paul schüttelte den Kopf.
»Ein bisschen mehr Selbstvertrauen! Ich wäre dabei.« Flora klappte den Laptop auf. »Was wollt ihr wissen, mein Gehirn fährt gerade hoch.«
»Ich will wissen, was da mit dir und Renzo und dir und Kiesling läuft!« Theresa lachte. Sie bemerkte an Pauls Seitenblick, dass ihn das genauso interessierte.
»Nichts von Bedeutung«, erwiderte Flora. »Kiesling hat mir erzählt, dass er sich vor ein paar Jahren von seiner Frau getrennt hat. Er hätte übrigens nach unserem ersten Treffen doch versucht, mich telefonisch zu erreichen. Aber ich bin damals gerade umgezogen. Er konnte mich gar nicht erwischen. Tja, so spielt das Leben. Schade eigentlich.«
Das dachte Theresa auch, denn inzwischen mochte sie Kiesling ganz gern. Flora fuhr fort: »Wir werden uns in Wien mal auf einen Kaffee treffen. Ach ja, und Renzo wollte heute Nachmittag mit mir …«
»Renzo Rubini – das klingt wie ein drittklassiger Porno-darsteller«, flüsterte Paul Theresa ins Ohr.
»Lass das ja nicht Dino hören! Außerdem wird es sich sowieso nicht ausgehen«, sagte Theresa und zwinkerte Flora zu.
»Warum?« fragte Paul.
»Na, weil wir das Manuskript holen!«, rief Flora. »Thesi, ich wusste, dass du es nicht lassen kannst. Was willst du wissen? Und jetzt stell eine ordentliche Frage!«
»Weshalb hat Galileo sein Werk an Baldinucci geschickt?«, sagte Theresa und wischte Dinos Kakaomund mit einer Serviette sauber.
»Das wird selbst das Internet nicht beantworten können«, erwiderte Flora. »Aber fassen wir zusammen: Er dachte, Bonaventura würde sofort nach Erhalt des Bildes an Baldinuccis Tür läuten und die Bibel holen. Aber Bonaventura starb.«
»Baldinucci entdeckte irgendwann die Handschrift«, spann Boris den Gedanken weiter. »Ein Künstler, ein Sammler, ein Organisator wie Baldinucci hätte so etwas Wertvolles nicht verbrannt, oder?«
»Aber was hätte er getan? Was hättet ihr getan? Versetzt euch in seine Lage«, forderte Paul die anderen auf.
Stumm saßen sie im Kreis und überlegten. Währenddessen versuchte Leon eine in Plastik eingeschweißte Legopackung zu öffnen. Boris hatte einen riesengroßen Ferrari gekauft und Dino wollte ihn endlich zusammenbauen. »Ich hätte die Bibel … Nein, doch nicht«, setzte Leon an, um sich gleich wieder dem Spielzeug seines Sohnes zu widmen.
»Ach, kann ihm irgendjemand helfen, ich bin einhändig dazu nicht in der Lage. Aber zusehen kann ich auch nicht mehr!«, seufzte Theresa und deutete mit ihrer Gipshand auf ihren Mann.
»Klar!« Flora nahm ein Messer, schlitzte das Plastik auf und gab das Auto an Dino weiter.
»So, Problem gelöst, zurück zum Manuskript. Ich hätte die Bibel weggesperrt und niemandem gegeben«, sagte Theresa und wandte sich an Paul. »Kannst du mir die köstlichen Croissants reichen? Ich brauche sie zum Denken.«
»Gerne.« Er nahm sich selbst auch eines und fragte Theresa: »Und dann?«
»Dann wäre ich irgendwann gestorben und hätte die Bibel Dino vererbt.«
Ein Leuchten erstrahlte in den Augen von Boris. »Das ist ein guter Ansatz! Seine Söhne waren doch Priester, oder?«
»Ja, drei, und einer davon sogar Missionar«, antwortete Theresa.
Sie versuchte sich an Casagrandes Worte zu erinnern. »Bei
Weitere Kostenlose Bücher