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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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der Tarantel gestochen auf und brüllte: »Giuseppe, Kerl, mach Wasser heiß, und bereite mir ein Bad mit Lavendel und Rosmarin.«
    Der Bankier hatte recht, er brauchte wahrlich dringend ein Bad. Kurz darauf stieg er in den dampfenden und duftenden Zuber und schloss die Augen. Der Lavendel beruhigte ihn, während der Rosmarin sein träges Blut antrieb und, wie er hoffte, die Gicht verjagte, die sich wieder bemerkbar machte. Der Dunst malte Figuren in die Luft, Säulen, Kuppeln. Ja, er wollte nach den Gesetzen des guten Bauens handeln. Was hielt ihn zurück? Das Alter? Die Furcht, den Dom nicht zu vollenden? Aber darauf kam es doch gar nicht an!
    Bramante setzte sich im Zuber auf und wischte sich mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht. Um das Vollenden ging es doch gar nicht, auf das Beginnen kam es an! Nur eines war wichtig: genauso anzufangen, dass niemand, auch nach seinem Tode, mehr etwas ändern konnte. So einfach war es! Das Einzige, worüber er sehr genau nachdenken und danach seine Schritte setzen musste, war, vollendete Tatsachen zu schaffen.
    Mit einem Freudenschrei kletterte Bramante aus dem Bad, zog, unbeschadet des Umstandes, dass er noch nass war, Hose, Hemd, Wams und Stiefel an und eilte aus dem Haus zum Pantheon. Er spürte nicht, wie der noch kühle Frühlingswind durch seine Kleidung blies. Dann stand er unter der mächtigen Kuppel des alten Tempels, den man zu einer christlichen Kirche umgewidmet hatte, und schaute nach oben, zu den Kassetten, die sich unterzuhaken schienen. Das Herz des Gebäudes, das Herz des Glaubens, sollte ein Zentralbau werden, den eine Kuppel bedeckte. Etwa so wie das Pantheon, nur viel, viel größer. Im Vergleich zu seinem Petersdom sollte das Pantheon wie eine Hundehütte wirken!
    Auf dem Rückweg dachte er an das »Buch der Baumeister«. Zu Hause angekommen, nahm er es hervor, schlug die Seite auf mit dem Etz Chaim, dem Lebensbaum mit den vier Erzengeln in der Mitte, auf dem die Welt ruhte. Die Verbindung des Himmels zur Erde und der Erde zum Himmel hielten die Erzengel aufrecht, weil sie Boten waren, weil sie unablässig zwischen Erde und Himmel unterwegs waren. Vor Bramantes geistigem Auge entstand nicht von außen, sondern aus dem Inneren heraus, aus dem Mittelpunkt der Kraft heraus, das gigantische Gebäude als anmutiges Spiel der Engel mit dem Himmel. Sie, die Engel, würden die Kuppel des Himmels tragen.
    Sein Entschluss stand fest: Er würde die größte Kuppel, die je gebaut wurde, auf die Vierung setzen. Das war das Eigentliche, das, wovon auszugehen war, und dann käme noch etwas Kirche drum herum, und schon würde der neue Tempel des neuen Jerusalem dastehen.
    Bramante hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Die Gedanken jagten durch seinen Kopf, aber er hatte mit ihnen nichts zu tun. Sie führten ein völlig eigenständiges Dasein, sein armer Körper war nur ihr organischer Träger, die Hülle. Er musste sich setzen. Er sorgte sich um sein Herz, das zu zerspringen drohte, denn jetzt konnte er ihn genau vor sich sehen, den neuen Dom der Christenheit.
    Der Architekt begann zu rechnen und zu skizzieren, benutzte dabei den Verhältnisschlüssel, der der Etz Chaim war, um zu bestimmen, wie stark die Pfeiler sein müssten, um eine so große Kuppel tragen zu können, ohne dass sie unter ihrer Last brechen würden. Jetzt hieß es, bis zur Rückkehr des verhassten Bildhauers aus Carrara vollendete Tatsachen zu schaffen. Und nicht nur für diesen, sondern für die gesamte, unweigerlich zwergenhafte Nachwelt!

25

    Colonnata, Anno Domini 1505
    Die Raben kreisten über dem Steinbruch, als Michelangelo und Francesco, nur von Matteo begleitet, früh am nächsten Tag in den Berg stiegen, um Steine auszusuchen. Es war, als warteten die Raben auf die Menschen. Matteo fluchte leise. Er hielt das für ein böses Omen, doch Michelangelo meinte nur, dass irgendein Stück Aas im Bruch läge, ein Hase, ein Fuchs oder ein Wolf.
    Zur gleichen Zeit waren Fritz und Guido unterwegs, um die Steinmetze und Transporteure für das Unternehmen anzuheuern. Die Beförderung vom Berg bis zum Hafen wollte Fritz organisieren, von da ab musste Michelangelo sich selbst darum kümmern. Die Marmorblöcke sollten mit der Lizzatura und mit Ochsenkarren ins Tal nach Carrara gebracht, im nahe gelegenen Hafen auf Schiffe verfrachtet und dann nach Ostia verschifft werden. Dort angekommen, würden sie sogleich auf die bauchigen Tiberschiffe umgeladen und auf dem Fluss nach Rom gebracht werden. Zu

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