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Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Titel: Die kuriosesten Faelle vor Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Schlegel
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damit die zum Ausdruck gebrachte Ironie und Verachtung schwieriger erkennbar machen. Lassen sie sich also von diesen wenigen – vielleicht „trockenen“ - Stellen nicht abschrecken, sondern genießen Sie die geistigen Ergüsse der etwas anderen Art doch einfach, es lohnt sich:
     
     
    " Leitsatz:
    1. Ein Verkehrsunfallprozeß wird nach denselben Regeln gespielt wie ein Fußballspiel. Sein Ausgang hängt nicht von der zufälligen Anzahl der Zeugen ab, die eine Partei zu Unfallzwecken mit sich fahren läßt, sondern von der Anzahl der Frei- wie Eigentore, die die Unfallbeteiligten schießen.
    Ob ein Tor gefallen ist oder nicht, entscheidet der Schiedsrichter, der im Zweifel die maßgebende Flensburger Punkte-Tabelle anzuwenden hat.
    2. Der real existierende Schilderwald hat seit jeher rechtlich Vorrang vor der Realität.
    Wenn an einer Kreuzung jede Zufahrt mit dem Zeichen 205 StVO ausgestattet ist, so daß jeder der unfallbeteiligten Fahrer die Vorfahrt des anderen zu achten hätte, obwohl dieser sie rein rechtlich gar nicht hat, und wenn beide gleichwohl zusammenstoßen, ohne sich zuvor darüber verständigt zu haben, dann sind beide zivilrechtlich einer mutuellen, dupliziert-reflexiven, fiktiven Pseudo-Vorfahrtverletzung schuldig.
    3. Ob Radfahrer inzwischen generell gefährlicher sind als Autofahrer, bedarf keiner Entscheidung, wenn es einem Radfahrer gelingt, das rechtliche Defizit an Betriebsgefahr seines Rades durch erhöhten Einsatz wettzumachen und wenn im übrigen das Auto den Radweg größtenteils verlassen hat, so daß es nur noch hinten eine restliche Betriebsgefahr auspuffen kann.
    Aus den Gründen:
    Die Klage ist begründet.
    Aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen bleibt nämlich nichts anderes übrig als die Haftung im Verhältnis 50 zu 50 zu teilen und der Kläger verlangt nur 50%.
    Sowohl die Ausfahrtstraße aus dem Werksgelände, die der Kläger mit seinem Auto befuhr, wie auch der sie kreuzende Radweg, den der Beklagte mit seinem Fahrrad in der richtigen Richtung befuhr, sind mit dem Zeichen 205 StVO (Vorfahrt gewähren!) versehen. Ob das ein Versehen oder Absicht ist, vermochte das Gericht nicht herauszufinden.
    Die Rechtsgelehrten sind der Auffassung, beim „vereinsamten” Zeichen 205 habe der andere, der dieses Zeichen nicht habe,„praktisch” und nur „gleichsam als Reflex” die Vorfahrt (Jagusch/Hentschel Rn. 45 zu § 8 StVO m.w.N.). Von dem Problem der „verzweisamten” Zeichen 205 ist die Rspr. – soweit ersichtlich – bislang verschont geblieben. Jedenfalls habe ich trotz eifrigen Suchens keinen Präzedenzfall gefunden, den ich zur Arbeitserleichterung hätte abschreiben können. Eins steht für mich jedoch vorab zweifelsfrei fest:
    Wenn dort Ampeln aufgestellt gewesen wären, dann hätten diese beide rot gezeigt. Denn das ist die perfekte Signalisierung im Sinne rot-grüner Mehrheiten, die die finale und totale Verkehrsberuhigung auf ihre Fahnen geschrieben haben und die ihr Wesen solange treiben, bis das Geld alle ist oder die Wähler die Nase gestrichen voll haben. Denn:
    „ Sie regieren uns als Penner,
weil für sie wir Ampelmänner”.
    Insoweit ist dieser Prozeß auch für mich ein Novum. In meiner nunmehr 30jährigen Sitzbahn als Verkehrsrichter habe ich nämlich bislang immer nur mit Unfällen zu tun gehabt, zu deren Herbeiführung beide Unfallbeteiligte bei Grün in die Kreuzung eingefahren sind und das meist auch durch Beifahrer justitiabel beweisen konnten. So werde ich nie die entzückende ältere Dame vergessen, die in der Beweisaufnahme bekundete, ihr Mann sei bei Grün in die Kreuzung eingefahren. Auf meine vollkommen unüberlegte Frage, wo sie denn eigentlich in dem Auto gesessen habe, antwortete sie offen und ehrlich: „Hinten links”. Auf meine ebenso überflüssige wie dumme Frage, ob sie denn von da aus überhaupt die rechts stehende Ampel habe sehen können, gab sie die kluge und überzeugende Antwort: „Nein, Herr Richter, aber das ist auch gar nicht nötig. Denn ich weiß ganz genau, mein Mann fährt nur bei Grün in die Kreuzung ein”. Diese Lady war die ehrlichste Zeugin, die ich je hatte. Ihr leuchtendes Beispiel beweist auch, daß die in der Rspr. weit verbreiteten Vorurteile gegen Beifahrer in dieser Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sind (vgl. dazu BGH NZV 88, 20; LG Köln NZV 88, 28). Entgegen einem weit verbreiteten Aberglauben hängt aber der Ausgang eines Unfallprozesses nicht davon ab, wieviel Beifahrer jemand zufällig bei sich

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