Die kuriosesten Faelle vor Gericht
unerhebliche Delle, die das Rad in das Heck des Autos eingefügt hat. Ihre Beseitigung kostet auch immerhin 1 695,83 DM.
Demgegenüber kann der Kläger nach der Lebenserfahrung nicht allzu schnell gefahren sein, wenn ein anderes Auto den Radweg vor ihm gekreuzt hat, um dann an der nur wenige Meter weiter entfernten Einmündung der E.-Straße vor dem zweiten Zeichen 205 erneut die Vorfahrt zu achten. Daß das Auto des Klägers aus der Sicht des Beklagten „plötzlich” von rechts den Radweg kreuzte, beweist nicht, daß das auch „schnell” geschah. Vorfahrtverletzer verwechseln nämlich „plötzlich” oft mit „unerwartet”. Das Wort „plötzlich” kann daher auch bedeuten, daß das Auto aufgrund der zu hohen Eigengeschwindigkeit des Fahrrades zu „schnell” näher kam, so daß der Beklagte nicht mehr rechtzeitig und richtig reagieren konnte.
Das Hineinfahren in eine Kreuzung mit unangepaßter Geschwindigkeit entspricht nach der Flensburger Tabelle drei Eigentoren (Nr. 3 des Bußgeldkatalogs). Wenn demgegenüber die restliche Betriebsgefährlichkeit des Autos mit zwei Toren zugunsten des Beklagten bewertet wird, dann wäre das eigentlich genug, so daß es schließlich 9 zu 8 für den Kläger stünde.
Der Kläger, der nur die Hälfte seines Schadens einklagt, hat sich aber von vornherein mit einem Unentschieden zufrieden gegeben. Deshalb kann dem Beklagten vom Schiedsrichter großzügigerweise wegen Fouls im Kreuzungsraum noch ein Elfmeter zugebilligt werden. Damit steht es schließlich 9 zu 9, und das Spiel hat mit einem glatten Unentschieden geendet. Mehr wäre hier nur drin gewesen, wenn beide – wie bei einer kaputten Ampelanlage – durch Zeichen 301 oder 306 StVO die rechtlich richtige Vorfahrt gehabt hätten. Dann hätten sie beide in je einem Auswärtsspiel gegen die Behörden-Mannschaft der Stadt Köln antreten können und jeweils 2 Punkte nach Hause geholt.
Deshalb mögen die Parteien froh sein, daß der Unfall relativ glimpflich abgelaufen ist und daß an der Kreuzung nicht für beide Fahrtrichtungen Stop-Zeichen (206 StVO) aufgestellt waren. Dann müßten sie nämlich beide bei der gebotenen strengen Beobachtung der Rechtslage und des unbedingten Haltegebots heute nach über einem Jahr immer noch dort stehen und kämen nie mehr nach Hause.
Schildbürger
Auf unserer Straßen Asphalt
da stehen gedrängt wie im Wald,
nur selten allein,
weil öfter zu zwein,
die Schilder kraft Staates Gewalt.
Gar manches hat keinen Gehalt,
weil sinnlos in's Leere es hallt:
Es steht nur zum Schein.
Doch gilt allgemein:
In Kraft ist in Kraft, wenn's geknallt.“
So der Volltext des Urteils vom Amtsgericht in Köln, welches dort unter dem Aktenzeichen 266 V 162/93 verkündet wurde und lassen Sie sich versichern, liebe Leser, in der Regel ist es mehr als unüblich, in Urteilsbegründungen auf Schiller, Goethe oder andere Dichter zurück zu greifen, wie es hier der Fall war.
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Wenn Gerichte intim werden
Ein sehr interessantes und – wie sicher einige Leser sagen werden – kleinliches Urteil sprach das Sozialgericht in Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen S 10 U 256/98. Vorhergegangen war der Streit eines Arbeitnehmers mit seiner Unfallversicherung auf Zahlung des Verdienstausfalls. Folgendes war passiert:
Der Arbeitnehmer war auf dem Heimweg von der Arbeit nach Hause. Der Verkehr war zäh an diesem Tag und er benötigte deutlich länger als sonst. Während dieser schleichenden Fahrt überkam ihm das dringende Bedürfnis, Wasser lassen zu müssen, also seine Notdurft zu verrichten. Das Verlangen wurde immer schlimmer und schließlich ahnte er, dass er es nicht mehr aushalten würde, bis er schließlich zu Hause ankommt. So entschied sich der Mann kurzerhand mit dem Auto auf einen Parkplatz zu fahren und an ein Gebüsch zu urinieren. Auf dem Weg vom Wasserlassen zurück zum Auto rutschte er schließlich aus und brach sich den Oberarm. Die Unfallversicherung weigerte sich jedoch zu zahlen, da es sich dabei um keinen Arbeitsunfall handeln würde. Immerhin sei der Unfall und der eingetretene Schaden nicht während der Arbeit passiert, sondern beim Urinieren am Gebüsch. Das sei nach den Regeln der Unfallversicherung aber keine „versicherte Tätigkeit“ und könne deshalb keinen Zahlungsanspruch begründen.
Das Sozialgericht in Gelsenkirchen musste also die Frage klären, ob das Wasserlassen dem Heimweg zuzurechnen sei oder nicht. Denn die Unfallversicherung gilt nur
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