Die kuriosesten Faelle vor Gericht
hat. Insofern gilt nämlich im Zweifel der bewährte Grundsatz „Auto gegen Auto”. Er hängt auch weiter nicht von der Anzahl sonstiger Zeugen ab, die eine Partei nach dem Unfall findet und im Gerichtssaal als Eideshelfer aufzubieten vermag. Die Anzahl der Zeugen darf nämlich rechtlich nicht mit der Anzahl der Tore verwechselt werden, die in einem Fußballspiel fallen (vgl. dazu: „Herr RA, wieviel Zeugen brauchen wir?” oder auch die ständigen Kleinanzeigen im Kölner Express: „Unfallzeugen gesucht, hohe Belohnung!”) Letztlich entscheidet nämlich immer noch der Schiedsrichter, ob ein Tor gefallen ist oder nicht.
Hier hatte allerdings leider keine der Parteien einen Beifahrer bei sich, der zur Klärung der schwierigen Rechtsprobleme hätte beitragen können. Ausschlaggebend sind hier also auf der Waage der Gerechtigkeit – wie so oft – nur die konträren und diametral einander entgegengesetzten Unfallschilderungen der Parteien und die Anzahl der Eigen- und Fremdtore, die sie damit rechtlich geschossen haben. Insoweit sind die Unfallbeteiligten selbst nicht die schlechtesten Zeugen. Sie wissen nämlich am besten, wie es wirklich war, wenn sie auch freilich oft genug irrig meinen, sie hätten damit auch Recht und gewonnen. Im übrigen wäre hier ein etwaiger Beifahrer des Klägers aus gründen der Fairneß zu streichen, weil der Beklagte als Radfahrer aus Rechtsgründen einen solchen nicht mitfahren lassen durfte.
Mit den Fällen, in denen beide Unfallgegner Grün und damit jeder für sich die Vorhaft hatte, ist die Rspr. bislang ganz gut fertig geworden. Für diese Fälle gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Beurteilung:
Entweder ist Ampelanlage defekt. Dann ist der Unfall für die Beteiligten unabwendbar und die Gemeinde zahlt beiden zur Belohnung 100%. Oder die Ampelanlage funktioniert ordnungsgemäß. Dann bekommt jeder als Lohn für seine Mühe allerdings nur 50%, weil der Richter unentschieden ist und nicht weiß, wem er Recht geben soll. Wie man sieht, führt eine defekte Ampelanlage für die Geschädigten zu einem weitaus befriedigerenden Ergebnis bei der Schadensregulierung als eine, die in Ordnung ist.
Hier standen aber leider keine Ampeln, die die Rechtsfindung wesentlich erleichtert hätten, sondern nur Schilder. Diese sind aber bekanntlich Ampeln zweiter Klasse. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als den Fall streng nach der reinen Rechtslage zu entscheiden.
Nach der alten römischen Rechtsregel „signa sunt servanda” hätte hier jeder die Vorfahrt des anderen zu achten gehabt. Denn: „signum retinet signatum” (das Zeichen hält das Bezeichnete fest). Bei der Auslegung ist allerdings gem. § 133 BGB „der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Schildes zu haften”. Verfehlt wäre es deshalb, hier beide Schilder zu streichen, weil sie im Grunde einander widersprechen. Dann hätte nämlich der Beklagte ggü. dem von rechts kommenden Kläger die Vorfahrt zu achten gehabt (§ 8 I 1 StVO). Seinem Klageabweisungsantrag läßt sich jedoch zweifelsfrei entnehmen, daß ein solches Ergebnis nicht in seinem Sinne ist und nicht seinem wirklichen Willen entspricht. Deshalb muß zugunsten des Beklagten das Schild des Klägers stehen bleiben. Umgekehrt muß natürlich auch zugunsten des Klägers das Schild des Beklagten stehen bleiben. Schließlich haben ja auch beide Schilder nicht bloß rechtlich, sondern sogar real dort gestanden, so daß sie rechtlich nicht hinweggedacht und vernachlässigt werden dürfen. Ich bin allerdings reell genug, unumwunden einzuräumen, daß mir ihr rechtlicher Regelungsgehalt bislang noch nicht 100%ig pelluzid ist.
Wie dem Abschn. II der Verwaltungsvorschrift zu den Zeichen 205 und 206 StVO zu entnehmen ist, ist das Zeichen 205 ein „negatives Vorfahrtzeichen” dem nach Abschn. VII 1 eigentlich an der anderen Zufahrt ein „positives Vorfahrtzeichen” entsprechen müßte. Wenn statt dessen insgesamt nur zwei negative Vorfahrtzeichen aufgestellt sind, nicht aber auch zwei damit korrespondierende positive, dann kann nach den rechtlichen Denkgewohnheiten eigentlich keiner des anderen Vorfahrt verletzt haben, weil der andere sie nicht wirklich und rechtlich wirksam, sondern nur fiktiv hatte. Folglich haben hier beide Parteien auch nur eine „negative Vorfahrtverletzung” begangen, aber keine positive. Auf negative Vorfahrtverletzungen ist aber § 8 I StVO nicht unmittelbar, sondern allenfalls analog anwendbar.
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