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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Carter ist gerade gegangen.«
    Pollys Miene verriet, dass sie sich etwas von der Seele reden wollte.
    »Gehen wir in unsere Kammer«, schlug Kitty vor.
    Strahlender Sonnenschein fiel durch das kleine Dachfenster auf den bloßen Dielenboden. Es war ein schöner Spätsommertag, der den nahen Herbst noch nicht erahnen ließ.
    »Was hast du auf dem Herzen?«, fragte Kitty.
    Polly blickte aus dem Fenster über die Dächer von Covent Garden und schlang die Hände ineinander. Schließlich wandte sie sich um und blickte ihre Freundin an. Ihre Augen schimmerten feucht.
    »Meine unreinen Tage sind überfällig«, sagte sie leise.
    »Wie lange schon?«
    »Fast eine Woche.«
    Kitty holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. »Das muss nichts bedeuten. Du hast in letzter Zeit nicht viel geschlafen. Sicher verzögern sie sich nur.«
    »Das versuche ich auch, mir einzureden«, erwiderte Polly seufzend. »Trotzdem habe ich Angst, dass ich schwanger sein könnte.«
    »Wie solltest du? Mutter Grimshaw besteht darauf, dass die Freier ein ›Cundum‹ anlegen. Und bei denen, die darauf verzichten wollen, führen wir einen mit Essig getränkten Schwamm ein.« Noch während sie sprach, kam Kitty ein Gedanke, und sie sah Polly erschrocken an. »Du hast Will doch nicht etwa gestattet, dir ohne Vorkehrungen beizuliegen?«
    »Doch … mehrmals sogar …«, gestand Polly und unterdrückte ein Schluchzen. »Es überkam uns einfach. Ich wollte ihn in mir spüren, ohne eine Barriere zwischen uns, und er wollte es auch. Verstehst du? Ich weiß, es war töricht, aber ich habe einfach nicht nachgedacht.«
    »O Polly, wie konntest du nur?«, rief Kitty entsetzt.
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Hoffen, dass es noch einmal gutgeht … und das Risiko in Zukunft vermeiden«, sagte Kitty und drückte ihrer Freundin aufmunternd die Hand.
    »Es ist ein Vergnügen, Euch zu malen, Madam«, schwärmte Sir Godfrey Kneller, während er mit sachkundigem Blick die Kurve ihrer Augenbrauen studierte, um sie naturgetreu auf die Leinwand zu übertragen. »Ich bin so froh, dass Ihr Euch doch noch bereit erklärt habt, mir Modell zu sitzen.«
    Kitty lächelte über die Schmeicheleien des alternden Malers. Sie saß in seinem Atelier an der Piazza und versuchte, den Drang zu unterdrücken, sich am Rücken zu kratzen.
    »Können wir eine kleine Pause machen, Sir Godfrey?«, bat sie schließlich. »Mein Nacken wird langsam steif.«
    »Aber natürlich, Madam. Ich wollte die Sitzung ohnehin für heute beenden, wenn es Euch recht ist. Das lange Stehen strengt mich in letzter Zeit sehr an. Das Alter, wisst Ihr.«
    »Ich komme dann morgen wieder, wenn ich es einrichten kann«, erbot sich Kitty.
    »Gern.« Der Künstler warf einen kritischen Blick auf das halbfertige Bild. »Es wird das schönste Porträt, das ich je gemalt habe!«
    Nachdem Kitty das Haus des Malers verlassen hatte, ging sie unter den Arkaden entlang in Richtung der Little Russell Street. Als sie an der Verkaufsbude vorbeikam, die für ihre unsittlichen Stiche berühmt war, sah sie im Schatten des Bogens eine vertraute Gestalt stehen. Es war Polly. Ihr Gesicht war angespannt, und ihr Blick ging ins Leere. Besorgt trat Kitty näher und rief sie an. Die junge Frau wandte sich erschrocken um.
    »Hast du mit Will gesprochen?«, fragte Kitty.
    Pollys Miene entspannte sich nicht. »Ja.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Dass er mich liebt und mich heiraten will … dass er für mich und unser Kind sorgen wird.«
    »Das ist doch wundervoll«, entfuhr es Kitty erleichtert. Insgeheim hatte sie befürchtet, dass der Schustergeselle sich vor der Verantwortung drücken würde. Doch Polly schien nicht wirklich glücklich über Wills Zusicherung zu sein.
    »Was geht dir durch den Kopf?«, ermunterte Kitty ihre Kammergenossin. »Hast du Angst, Mutter Grimshaw wird dir Vorhaltungen machen, wenn du sie verlässt?«
    Polly senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«
    Kitty bot ihr den Arm. »Komm, mein Herz. Gehen wir ein paar Schritte.«
    Seufzend hakte sich Polly bei ihr ein.
    »Und nun heraus mit der Sprache! Wo liegt das Problem? Der Mann, den du liebst, hat zugesagt, dich zu heiraten und dein Kind anzuerkennen. Sind am Ende deine Gefühle für ihn doch nicht so stark, wie du dachtest?«
    »Vielleicht«, erwiderte Polly vage. »Versteh mich nicht falsch. Ich liebe Will, und es macht mich glücklich, wenn ich in seinen Armen liege, aber …«
    »Was aber?«
    »Er ist ein armer Schustergeselle«,

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