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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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zusammenzuckte. Welch ein Unglück, dass der diensthabende Konstabler ausgerechnet einer jener übereifrigen Moralisten war, die jegliche Art von Sittenlosigkeit verurteilten.
    »Ihr führtet Mr. Martelli also in diesen Raum. Und was geschah dann?«, fragte Hall an Kitty gewandt.
    »Er bat mich um einen ungeheuerlichen Dienst, den ich ihm nicht erweisen konnte«, entgegnete Kitty. Mit leiser Stimme gab sie Martellis Wünsche wieder. Über Halls Gesicht breiteten sich Entsetzen und Abscheu.
    »Es ist erschreckend, zu welchen Torheiten die Sünde der Fleischeslust manche Menschen treibt!«, rief er entrüstet. »Er wollte also, dass Ihr ihm die Schlinge um den Hals legt und ihn hängt, damit er sich besudelt wie die Verurteilten unter dem Dreibein von Tyburn. Indem Ihr ihm bei seinem gottlosen Ansinnen Hilfe geleistet habt, Weib, habt Ihr Euch des Mordes schuldig gemacht. Wenn das Gericht Euch verurteilt hat, werdet Ihr Eurem Freier an den Galgen und in die Hölle folgen.«
    Kitty erblasste. Ihr schwindelte. Rasch ergriff Mutter Grimshaw ihren Arm und stützte sie.
    »Sie hat Signor Martellis Wunsch nicht entsprochen, Sir. Stattdessen kam sie zu mir und berichtete mir davon. Wir gingen zurück, um ihm die Tür zu weisen. Da fanden wir Signor Martelli am Riegel des Fensterladens erhängt vor.«
    »Über die Schuld dieses Weibsbilds wird die Jury entscheiden«, beharrte Hall. Seine Hand legte sich fest um Kittys Arm. »Im Namen des Königs verhafte ich Euch, Madam. Ihr müsst mitkommen.«
    Die junge Kurtisane war vor Schreck wie erstarrt und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Willenlos ließ sie sich abführen. Mutter Grimshaw, der es gelang, die Nerven zu bewahren, drückte ihrem Schützling geistesgegenwärtig eine wohlgefüllte Börse in die Hand, die Kitty mechanisch einsteckte.
    »Das wirst du brauchen«, sagte die Kupplerin fürsorglich. »Das Leben im Gefängnis ist kostspielig.«

33
    Das Klirren der eisernen Ketten hallte in Kittys Ohren wider. Die verblasste Erinnerung an ihren ersten Besuch im Newgate-Gefängnis kehrte in ihr Bewusstsein zurück und verursachte ihr Übelkeit. Der Lärm, den die Eisen der Gefangenen auf dem Steinboden erzeugten, und der Gestank, der für alle Ewigkeit in die Mauern eingezogen war, hatten sich ihr damals so fest eingeprägt, dass sie sich manchmal in ihre Träume drängten.
    Alles war sehr schnell gegangen. Kitty hatte die Nacht im Wachthaus von St. Pauls Covent Garden verbringen müssen. Zu ihrer Erleichterung hatten weder der Inhaber noch seine Frau sie wiedererkannt. Wer brachte schon die gefeierte Kurtisane Kitty Montague mit einer zerlumpten Bettlerin in Beziehung? Am Morgen war sie dann einem Friedensrichter vorgeführt worden, der ihre Inhaftierung im Newgate angeordnet hatte.
    Aufmerksam musterte Kitty die beiden Frauen, die mit ihr in dem kleinen Raum saßen, den der Schließer »Mylady’s Kerker« genannt hatte. Sie alle trugen schwere Eisen um die Handgelenke, die man ihnen bei der Ankunft in der Pförtnerloge angelegt hatte. Von ihrem damaligen Besuch wusste Kitty, dass diese Maßnahme dazu diente, von den Gefangenen Geld zu erpressen.
    Eine der Frauen, die ihr auf einer wackeligen Bank gegenübersaßen, war eine alte Gevatterin, die mit verzweifelter Miene vor sich hin starrte. Ihr stand deutlich der Hunger ins Gesicht geschrieben. Die andere Frau, die ebenso schäbig gekleidet war wie die Gevatterin, mochte um die dreißig sein. Allerdings trug sie ein Umschlagtuch aus feiner Wolle um die Schultern und einen guten Strohhut auf dem Kopf, der mit einem blauen Satinband unter dem Kinn festgebunden war. Kitty vermutete, dass die Frau diese Kleidungsstücke nicht auf ehrliche Weise erworben hatte. Sie fühlte sich unter den lauernden Blicken der anderen zunehmend unwohl.
    »He«, rief die Frau mit dem Strohhut, nachdem sie Kitty eine Weile abschätzig gemustert hatte. »Weshalb bist du hier?«
    »Man wirft mir vor, einen Mann gehängt zu haben«, antwortete Kitty.
    Die Frau brach in Lachen aus. »Das ist ja eine tolle Geschichte! Du sollst einen Mann umgebracht haben?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn tatsächlich getötet habe«, erwiderte Kitty trocken.
    »Auf jeden Fall siehst du aus, als hättest du Geld. Hier im Newgate muss man für jede Annehmlichkeit bezahlen, weißt du. Für leichtere Ketten, für ein Bett, Laken, Wasser und Brot. Wer nicht zahlen kann, muss hungern. Leider besitze ich keinen Farthing. Willst du mir nicht mit ein paar Münzen unter

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