Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
Vom Netzwerk:
die Arme greifen, Schwester?«
    Kitty ignorierte die Forderung und wandte den Kopf ab. Daraufhin erhob sich die Frau von der Bank und trat auf sie zu. Als sie dreist die Hand nach Kittys Rock ausstreckte, unter dem diese die Geldbörse von Mutter Grimshaw verwahrte, schob Kitty sie mit einem kraftvollen Stoß von sich. Das Gesicht der Frau verzog sich drohend. Einen Moment taxierten sich die beiden, dann stürzte sich die Diebin auf Kitty. Diese hatte jedoch bereits die schweren Ketten zusammengelegt, die von ihren Handschellen herabhingen, und holte zum Schlag aus. Die Eisenringe trafen die Furie mitten ins Gesicht. Mit einem Schrei ging sie zu Boden. Bereit zu einem zweiten Schlag, wich Kitty in eine Ecke des Kerkerraumes zurück. Stöhnend kam die Angreiferin auf die Beine und wischte sich mit der Hand über das blutende Gesicht.
    »Du hast mir die Nase gebrochen, Metze«, jammerte sie. Doch in dem Blick, mit dem sie Kitty streifte, lag auf einmal Respekt.
    »Ich habe lange genug auf der Straße gelebt, um deinesgleichen sofort zu erkennen«, antwortete Kitty abfällig.
    In diesem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss, und die Tür wurde aufgeworfen. Eine dicke Frau in einem schmutzigen Kleid betrat den Kerker. Graue Strähnen quollen unordentlich unter ihrer schmuddeligen Leinenhaube hervor. An ihrem Gürtel trug sie einen dicken Schlüsselbund.
    Prüfend musterte sie die drei Neuzugänge. Als ihr Blick auf die blutende Nase der Diebin mit dem Strohhut fiel, verzog sich ihr fleischiger Mund zu einem verächtlichen Lächeln.
    »Hast wieder mal Streit angefangen, was, Molly?«, rief sie spöttisch. »Aber diesmal scheinst du den Kürzeren gezogen zu haben.«
    Mit einem bösen Blick auf Kitty spuckte Molly einen Schwall Blut auf den Boden und ließ sich wieder auf die Bank sinken.
    »Meine Damen, ich darf mich vorstellen«, sagte die beleibte Frau. »Ich bin Mistress Pitt. Mein Mann William ist der Kerkermeister. Es interessiert mich nicht, weswegen Ihr hier seid. Meine Aufgabe ist es, für Eure Unterbringung zu sorgen. Wie annehmlich diese ausfällt, liegt allein bei Euch.«
    Die Diebinnen ignorierend, bei denen nichts zu holen war, wandte sich Mistress Pitt zuerst an Kitty.
    »Wirklich erstaunlich, dass wir so kurz hintereinander von den beiden gefeiertsten Kurtisanen Londons beehrt werden«, spottete sie. »Miss Salisburys Unterbringung wird von einigen namhaften Personen der Gesellschaft bezahlt. Ich hoffe für Euch, dass Ihr dieselbe Großzügigkeit genießt, sonst müsst Ihr Eure Tage mit Gassenschlampen wie diesen beiden auf der ›Volksseite‹ verbringen.«
    »Eure Sorge um mein Wohlergehen ehrt Euch, Madam«, erwiderte Kitty ebenso sarkastisch. »Ich bin durchaus in der Lage, selbst für meine Unterbringung aufzukommen. Was kostet es mich, aus diesem Loch herauszukommen?«
    »Wenn Ihr auf die ›herrschaftliche Seite‹ wechseln wollt, bekomme ich eine halbe Krone die Woche für ein Bett und zwei Schillinge den Monat für saubere Laken«, rechnete Mistress Pitt an den erhobenen Fingern der linken Hand vor. »Aber dort müsst Ihr Euer Quartier immer noch mit einem Dutzend Fremder teilen. Eine Dame Eurer Stellung und Eures Ansehens wünscht doch sicher etwas Bequemeres als das. Also, wenn Ihr ein Zimmer in der ›Burg‹ oder im ›Presshof‹ haben wollt, kostet Euch das ein Eintrittsgeld von zwanzig Pfund sowie elf Schillinge und sechs Pence die Woche an Miete. Dafür steht Euch eine Wäscherin zu Diensten, die sauber macht und das Feuer schürt.«
    »Das ist ein stolzer Preis für ein einfaches Zimmer«, meinte Kitty empört.
    »Nehmt es oder lasst es bleiben, Herzchen«, entgegnete die Frau des Kerkermeisters mit einem Schulterzucken.
    »Sei es«, gab Kitty seufzend nach, griff in ihren Beutel und bezahlte.
    Nachdem einer der Gefangenen ihr die Ketten abgeschlagen hatte, führte Mistress Pitt die junge Kurtisane höchstpersönlich eine schmale Treppe zwischen den beiden Abteilungen der Volksseite für Schuldner und für Verbrecher hinauf in den zweiten Stock.
    Der Bereich des Gefängnisses, der »Presshof« genannt wurde, lag hinter dem eigentlichen Torhaus in einem der anschließenden Gebäude, die dem Gefängnis zur Zeit des Commonwealth einverleibt worden waren.
    Kitty folgte der Frau des Kerkermeisters in ein getäfeltes Zimmer, dessen Tür offen stand. Die Wände waren mit Handzetteln, Pamphleten und Plakaten gepflastert. Es gab drei Betten, die mit Vorhängen versehen waren. Auf dem Rand der

Weitere Kostenlose Bücher