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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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schätzt.« Trotzig reckte Jonny das Kinn. »Und er hat versprochen, dir bei deinem Prozess zu helfen.«
    Kitty erbleichte. »Wild hat mit dir über mich gesprochen?«
    »Nein, nicht mit mir persönlich. Einer meiner Kumpel, der mich regelmäßig hier besucht, hat mir aufgetragen, dir zu versichern, dass du auf Jonathan Wilds Unterstützung rechnen kannst.«
    »Warum sollte der Diebesfänger mir helfen wollen?«
    »Er bewundert dich«, erklärte Jonny, als sei es die natürlichste Sache der Welt. »Er hat versprochen, sich in den Bordellen der Stadt umzuhören, ob dieser Italiener noch andere Huren darum gebeten hat, ihm eine Schlinge um den Hals zu legen. Das würde beweisen, dass er verrückt war, und deine Sache begünstigen.«
    Kitty packte den Jungen bei den Schultern und sah ihn eindringlich an. »Schwöre mir, dass du Wild nicht erzählst, dass du mich von früher kennst. Schwöre es!«
    »Schon gut, ich schwöre es«, versprach Jonny. »Hätte nicht gedacht, dass du dich für unsere Zeit auf der Straße so sehr schämst.«
    Erleichtert ließ Kitty den Knaben los und trat von der Tür zurück, um einen Mann vorbeizulassen, der den Saal verließ. Erst als er sich galant vor ihr verbeugte, erkannte Kitty den jungen Burschen, den sie zwei Tage zuvor am Gitter des Kerkers hatte betteln sehen.
    »Es tut mir leid, wenn ich Euch gestört habe, Madam«, sagte er höflich.
    Interessiert musterte Kitty ihn. Er war stattlich gebaut. Unter der nackten Haut seines Oberkörpers zeichneten sich die kräftigen Muskeln an Brust und Armen ab. Vom Nacken zogen sich dicke Stränge bis zu den Schultern, die verrieten, dass er in seinem Leben schwere Lasten getragen haben musste. Aus seinen Zügen war aufrichtige Bewunderung für sie zu lesen, während er sie ohne Verlegenheit musterte. Seine Offenheit gefiel ihr. Er schien ein Mensch zu sein, der seine Meinung ohne Ausflüchte kundtat. Kitty nickte ihm zu und sah ihm nach, als er sich den düsteren Gang entlang entfernte.
    »Der Herkules scheint dir zu gefallen, Herzchen«, bemerkte Jonny ungeniert.
    »Kennst du ihn?«, fragte Kitty.
    »Nein. Er ist kein Gauner. Wahrscheinlich stammt er aus einer der Abteilungen für Schuldner auf der ›Volksseite‹.«
    »Kannst du etwas über ihn herausfinden?«
    »Natürlich. Wenn du willst.« Mit einem schelmischen Grinsen verabschiedete sich der Junge von ihr und tauchte in der bunten Menge unter, die den großen Saal bevölkerte.
    Mit einem Knall zersplitterte die Flasche im Kamin. Kitty fuhr heftig zusammen, obgleich sie den Wutanfall ihrer Zellengenossin vorausgesehen hatte. Sally begann bereits früh am Morgen zu trinken, und am späten Nachmittag war sie stets so sternhagelvoll, dass sie nicht mehr klar denken konnte. An manchen Tagen fiel sie dann einfach in einen tiefen, betäubungsähnlichen Schlaf, an anderen überkamen sie schreckliche Wutausbrüche, die meist in einem großen Katzenjammer endeten.
    »Das verdammte Zeug ist alle!«, schrie Sally erbost. »Weshalb hat man mir keine neue Flasche mitgebracht? Ich will etwas zu trinken, verflucht noch mal!«
    Schwankend taumelte sie durch die Zelle in Richtung Tür.
    »Wohin gehst du?«, rief Kitty beunruhigt.
    »Was schert dich das? Runter in die Schenke. Bei Mistress Spurling gibt’s Brandy«, gab Sally gereizt zurück.
    »Ich denke, du hast genug«, sagte Kitty beschwichtigend.
    »Kümmere dich um deine Angelegenheiten, Schlampe«, war die Antwort.
    Kitty folgte der Unvernünftigen zur Tür und ergriff ihren Arm, um sie zurückzuhalten. Doch Sally riss sich energisch los.
    »Lass mich!«, grollte sie und wankte aus der Zelle.
    Eine Weile blieb Kitty unschlüssig auf der Schwelle stehen und blickte ihr nach, dann besann sie sich und folgte ihrer Rivalin in einigem Abstand zur Treppe. An der Wand zur Rechten Halt suchend, taumelte Sally die Steinstufen in den ersten Stock hinab. Die Gefangenen, denen sie begegnete, nahmen keine Notiz von ihr. Trunkenheit gehörte im Newgate zum Alltag. Als Sally am Fuße der Treppe angekommen war und einen Moment innehielt, als versuche sie, sich zu orientieren, kamen drei Männer um eine Ecke. Als sie die betrunkene Kurtisane in ihrem tief dekolletierten feinen Kleid erblickten, stießen sie einander an und grinsten breit. Ein paar ermunternde Worte wurden gewechselt, dann traten die rauhen Burschen Sally in den Weg. Ehe diese reagieren konnte, hatten zwei der Männer sie an den Armen gepackt und zerrten sie in die nächstgelegene

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