Die Kurtisane des Teufels
blieb skeptisch. »Nicht sie haben Wild verhaften lassen, sondern Sir John Fryer, ein Magistrat der Stadt London, nachdem Wild einem seiner Leute zur Flucht verholfen hatte«, erklärte der Advokat. »Als die Friedensrichter Beaver, Ridley, Wickham und Street von der Verhaftung erfuhren, eilten sie zum Newgate, in das man Wild gebracht hat, und beschuldigten ihn des Diebstahls einer Banknote über fünfzig Pfund.«
»Das scheint Euch nicht zu freuen«, bemerkte Kitty verwundert.
»Zufällig weiß ich, dass diese Anklage nur ein Vorwand ist, um zu verhindern, dass Wild auf Kaution freigelassen wird«, entgegnete Robinson. »Vor Gericht hätte diese Sache jedoch keinen Bestand.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Die Angelegenheit ist äußerst kompliziert, Madam. Als ich von Mr. Wilds Verhaftung erfuhr, zog ich Erkundigungen ein. Tatsächlich steckt der City Recorder, Sir William Thomson, dahinter. Offenbar hat auch er nun die Jagd auf den Diebesfänger eröffnet.«
»Aber das ist doch gut, oder nicht?«, fragte Kitty, die noch immer nicht begriff, weshalb Robinson angesichts dieser Entwicklung so wenig Begeisterung zeigte.
»Sir William ist kein angesehener Mann«, erwiderte der Advokat. »Man hat ihn wiederholt der Bestechung angeklagt, und er gilt als sehr machthungrig und skrupellos. Ich fürchte, er hat Wild nur deshalb verhaften lassen, weil er angesichts der Bemühungen von Mr. Beaver und seinen Amtsbrüdern wie ein Narr dastünde, wenn er nicht ebenfalls gegen Wild vorgehen würde. Ich gehe jedoch davon aus, dass er ebenso wenig stichhaltige Beweise gegen ihn hat wie unsere Friedensrichter von Westminster. Nun, da die Magistrate auch noch in Konkurrenz zueinander stehen, werden sie sich nur gegenseitig behindern. Und Wild wird der lachende Dritte sein.«
»Ihr meint, er könnte vor Gericht freigesprochen werden?«, fragte Kitty entsetzt.
»Durchaus«, bestätigte Robinson bedrückt. »Wenn das geschieht, kann er weitermachen wie bisher. Jeder andere Magistrat wird sich genau überlegen, ob er das Risiko eingeht, Wild erneut anzuklagen, oder ihn lieber gewähren lässt.«
»Das müssen wir unbedingt verhindern!«, sagte Kitty entschlossen. »Könnt Ihr ein Treffen mit Mr. Beaver und den anderen in die Wege leiten? Ich möchte ihnen ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können.«
»Ist das Euer Ernst, Madam? Ihr wollt Jonathan Wild aushorchen?«, rief Richter Beaver entgeistert.
Leonhard Street, in dessen Haus auf dem Pallgrave Court sich Kitty, Stephen Robinson und die Friedensrichter erneut zur Beratung zusammengefunden hatten, betrachtete den Vorschlag der Kurtisane weniger skeptisch.
»Warum nicht? Wild soll drei Ehefrauen und einen Harem an Mätressen haben, sagt man. Offensichtlich ist er für den Reiz einer schönen Frau empfänglich.«
»Sagtet Ihr nicht, dass Ihr ihm schon einmal begegnet seid, nachdem er Euren Bruder unschuldig an den Galgen gebracht hatte?«, fragte Beaver besorgt. »Besteht nicht die Gefahr, dass er Euch wiedererkennt?«
»Nein, ich denke nicht«, widersprach Kitty überzeugt. Sie blickte die Männer in ihren gepuderten Perücken und Gewändern aus feinem Tuch herausfordernd an. »Mr. Robinson berichtet mir, dass weder ihr noch der City Recorder überzeugende Beweise gegen Mr. Wild in der Hand habt. Ist das wahr?«
Die Friedensrichter wechselten zerknirschte Blicke. »Soweit wir wissen, ja.«
»Weshalb hat man Mr. Wild dann verhaftet?«
»Zwischen den Magistraten von London und Westminster schwelt eine alte Rivalität«, begann Beaver unbehaglich.
»So dass Sir William Thomson sich gezwungen sah, euch zuvorzukommen, obwohl er ebenso wenig gegen den Diebesfänger in der Hand hat wie ihr!«, unterbrach Kitty ihn entrüstet. Die ganze Angelegenheit geriet zur Farce. »Mir geht es nicht um Rache für meinen Bruder, Gentlemen, obwohl ich mir wünsche, dass ihm nach all den Jahren endlich Gerechtigkeit widerfährt«, fuhr sie fort. »Mein Gatte und ich haben auf Betreiben von Mr. Wild unendliches Leid durchgemacht, und solange ihm nicht das Handwerk gelegt ist, muss Mr. Gascoyne weiterhin um sein Leben fürchten. Wild darf nie wieder freikommen. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass er für seine Verbrechen verurteilt wird, werde ich nicht zögern. Mr. Wild lässt mir seit längerer Zeit regelmäßig Geschenke zukommen. Ich bin daher sicher, dass er mich empfangen wird. Mir gegenüber wird er bestimmt offenherziger sein. Lasst mich also versuchen, ihm eine Einzelheit
Weitere Kostenlose Bücher