Die Kurtisane des Teufels
Arbeit zu schätzen wisst, Madam«, erwiderte Wild geschmeichelt. »Leider hat mein Erfolg den Neid und die Missgunst einiger Magistrate erregt, die ihre eigene Unfähigkeit zu überspielen versuchen, indem sie mir Vergehen vorwerfen, die völlig aus der Luft gegriffen sind.«
Wild bot Kitty einen Stuhl an. Auf einem Tisch standen eine Karaffe und mehrere Zinnbecher. Der Diebesfänger füllte zwei Becher mit Wein und reichte ihr einen davon, bevor er sich ihr gegenübersetzte. Mit einem unterdrückten Seufzen streckte er die Beine aus. Kitty hatte gehört, dass er vor kurzem einen Gichtanfall erlitten hatte.
»Wie werdet Ihr die Vorwürfe entkräften?«, fragte Kitty, um ihn zum Reden zu ermuntern.
»Das brauche ich gar nicht«, entgegnete Wild gelassen. »Die übereifrigen Magistrate haben nichts gegen mich in der Hand. Die Behauptung, ich hätte eine gestohlene Banknote über fünfzig Pfund angenommen, ist schlichtweg erfunden.«
»Dann habt Ihr also nichts zu befürchten. Wie beruhigend, zu wissen, dass Ihr auch in Zukunft in unserer schönen Stadt für Zucht und Ordnung sorgen werdet.«
Kitty erkannte, dass sie mit bloßem Wortgeplänkel nichts erreichte. Wild verstand es, sich so vage und oberflächlich zu äußern, dass er nichts preisgab, was ihn belasten konnte. Sie musste eine andere Taktik versuchen. Scheinbar unbewusst begann sie an ihrem Brusttuch zu nesteln, bis es so weit verrutschte, dass der Ansatz ihrer Brüste zu sehen war.
»Ist es wahr, dass Ihr in Eurer Laufbahn als Diebesfänger unzählige Wunden davongetragen habt?«, fragte sie neugierig. Ihre Stimme nahm ein deutlich tieferes Timbre an.
»Mein Körper ist übersät davon«, bestätigte Wild mit sichtlichem Stolz.
»Man sagt, dass Ihr Euch furchtlos den Weg in eine Räuberhöhle freischießt, während die Ordnungshüter vor Angst schlotternd aus sicherer Entfernung zusehen«, hauchte Kitty.
»Das entspricht der Wahrheit«, erwiderte er mit einem wohlwollenden Lächeln. »Man hat auf mich geschossen, mich mit dem Messer angegriffen und mir sogar zweimal den Schädel gespalten.«
Mit einer theatralischen Geste lüftete Wild seinen Turban, so dass die Silberplatten zum Vorschein kamen, mit denen ein Wundarzt die Schädelverletzungen bedeckt hatte. Kitty fragte sich unwillkürlich, ob die Spuren der Kugel, die Taylor damals in Mistress Farrells Logierhaus auf den Diebesfänger abgefeuert hatte, noch immer an seinem Körper zu sehen waren.
»Diese Wunde verdanke ich Blueskin Blake«, erklärte Wild, während er seine Halsbinde lockerte. An seiner Kehle war eine langgezogene rötliche Narbe zu sehen.
Dieser Mann besitzt ebenso viele Leben wie eine Katze, dachte Kitty entmutigt. Wie kann man ihm nur beikommen?
»Ich hörte von dem heimtückischen Mordversuch«, entgegnete Kitty und beugte sich ein wenig vor. Wilds Blick wanderte zum Ausschnitt ihres Kleides, dem der betörende Duft eines teuren Parfüms entströmte. »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie erleichtert ich war, dass Ihr den Anschlag überlebt habt.«
Zu ihrer Befriedigung bemerkte sie, dass der Diebesfänger die Augen nicht mehr von ihren Brüsten wenden konnte. Sein Atem ging schneller, und seine sorgfältig rasierten Wangen röteten sich. Sie hatte ihn an der Angel.
Mit einem herausfordernden Lächeln erhob sich Kitty und stellte den noch fast vollen Zinnbecher auf den Tisch.
»Habt Ihr noch Wein für mich?«
Ihr plötzlicher Rückzug fachte Wilds Lust an. Er war kein Mann, dem man sich verweigerte. Ohne auf ihre Bitte einzugehen, erhob er sich und näherte sich ihr, wobei er den von der Gicht befallenen Fuß ein wenig nachzog. Seine Hände legten sich um ihre Taille und zogen sie zu sich heran. Als er sie berührte, durchlief Kitty ein Schauer der Abscheu, den Wild jedoch als Ausdruck der Lust auslegte. Befriedigt grinste er sie an. Seine Eitelkeit und Selbstüberzeugung waren so groß, dass er nicht im Geringsten an seiner Fähigkeit zweifelte, eine hochbezahlte Kurtisane wie sie in seinen Bann zu ziehen.
Da Wild ein wenig kleiner war als Kitty, schob er sie energisch zu der Liegestatt an der Wand. Widerspruchslos ließ sie sich daraufsinken und lehnte den Kopf an die Steinmauer. Ihr Blick wanderte unwillkürlich zu dem nicht weit entfernten Kamin. Vor ihrem inneren Auge sah sie Stephen Robinson in dem Raum über ihnen erregt auf- und abgehen. Bis zuletzt hatte er versucht, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Er ertrug den Gedanken nicht, dass sich Jonathan Wild ihr
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