Die Kurtisane des Teufels
zu entlocken, die bei der Vorbereitung der Anklage hilfreich sein kann.«
Da von den Friedensrichtern kein Widerspruch mehr kam, sah Stephen Robinson sich gezwungen, das Wort zu ergreifen.
»Aber, Madam. Ihr hörtet doch, dass Mr. Wild den Ruf eines Weiberhelden genießt. Wenn er Euren Besuch nun als Einladung auffasst …«
»… um mir zu nahe zu treten?«, beendete Kitty den Satz. »Ich werde ihn schon auf Abstand halten.«
»Und wenn Euch das nicht gelingt, Madam? Jeder weiß, dass Mr. Wild an den französischen Pocken leidet. Ihr könntet Euch anstecken!«
»Dazu wird es schon nicht kommen«, versicherte Kitty mit gespielter Gelassenheit. Dennoch würde sie sich hüten, Daniel in ihren Plan einzuweihen. Er wäre auf jeden Fall dagegen.
»Wie ist Mr. Wild im Newgate untergebracht?«, fragte sie, um von dem heiklen Thema abzulenken. »Besteht die Möglichkeit, dass ihr euch in einem Nebenraum auf die Lauer legt und mein Gespräch mit ihm belauscht? So könntet ihr alles, was er sagt, gegen ihn verwenden.«
»Das dürfte sich einrichten lassen«, bestätigte Leonhard Street nach kurzer Überlegung. »In Wilds Zelle gibt es einen großen Kamin. Wenn wir uns im darüberliegenden Raum aufhalten, müssten wir alles hören können.«
»Dann leitet alles in die Wege«, sagte Kitty abschließend. »Und wenn ich erfolgreich bin, wünsche ich, dass ihr ohne weitere Verzögerung Mr. Gascoynes Begnadigung erwirkt.«
»Verlasst Euch auf uns, Madam«, entgegnete Richter Beaver, und seine Amtsbrüder nickten zustimmend.
Mit vor Nervosität feuchten Händen und einem Gefühl von Übelkeit, das sich in ihrem Magen ausbreitete, betrat Kitty zwei Tage später das Newgate-Gefängnis. Sie unterrichtete den Pförtner, der sie entgeistert anstarrte, dass sie den großen Jonathan Wild zu sprechen wünschte, und ließ die geforderten Münzen in seine Hand gleiten.
Kitty hatte sich sorgfältig zurechtgemacht. Ihr Häubchen war aus den teuersten französischen Spitzen gefertigt, ihr Kleid bestand aus schimmernder dunkelblauer Seide, die wundervoll mit ihren Augen harmonierte, und das Brusttuch, das ihren tiefen Halsausschnitt bedeckte, war aus so durchsichtigem Musselin, dass es mehr preisgab als verbarg. Sie wollte den Diebesfänger blenden und seine Lust wecken. Auf diese Weise hoffte sie, ihm die Zunge lösen zu können.
Der Schließer, der Kitty durch den Kerker führte, blieb vor einer Tür stehen, klopfte höflich und öffnete sie.
»Sir, Ihr habt Besuch«, rief er.
Kitty holte tief Luft, um ihren raschen Herzschlag zu beruhigen. Der Gestank der Verliese hatte ihre Übelkeit vertieft, und die Erinnerung an ihren eigenen Aufenthalt jagte ihr wiederholt kalte Schauer über den Rücken. Doch als sie über die Schwelle ins Innere der Zelle trat und sich Jonathan Wild unmittelbar gegenübersah, entspannte sie sich und brachte mühelos ihr strahlendstes Lächeln zustande.
Der Diebesfänger war in den vergangenen Jahren kaum gealtert. Seine stämmige Gestalt vermittelte noch immer den Eindruck zäher Körperkraft, und sein eckiges Kinn verriet Entschlossenheit und einen starken Willen. Das Lächeln, das sich über sein Gesicht breitete, als er sie ansah, bewies, dass die Kerkerhaft seiner Zuversicht und Selbstsicherheit keinen Abbruch getan hatte. Jonathan Wild trug keine Perücke. Stattdessen bedeckte ein Turban seinen kahlen Schädel. Galant verbeugte er sich vor ihr. Seine durchdringenden Augen musterten sie mit einem solchen Genuss, dass Kitty das Gefühl hatte, splitternackt vor ihm zu stehen. Dennoch verspürte sie keine Angst mehr vor ihm.
»Welche Freude, Euch in meiner bescheidenen Behausung empfangen zu dürfen, ehrwürdige Mutter Äbtissin«, sagte Wild mit dem trockenen Humor, für den er bekannt war, und umfing seine karg eingerichtete, aber geräumige Zelle mit einer einladenden Geste. Kitty bemerkte, dass er weder an den Hand- noch an den Fußgelenken Ketten trug. »Welchem glücklichen Umstand verdanke ich diese unerwartete Aufmerksamkeit?«
»Ich bin gekommen, um Euch meiner Unterstützung zu versichern, Mr. Wild«, erklärte Kitty. »Es ist eine Schande, dass man Euch, der Ihr so viel für die Sicherheit in dieser Stadt getan habt, in den Kerker geworfen hat und Euch nun sogar vor Gericht stellen will. Dabei habt Ihr so vielen Opfern von Diebstählen und Überfällen wieder zu ihrem Hab und Gut verholfen und die Übeltäter der verdienten Strafe zugeführt.«
»Es freut mich, dass Ihr den Wert meiner
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