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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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dem Mann, der neben ihm hing, festzuhalten, wurde aber durch Arnets Eingreifen rasch wieder von ihm getrennt.
    Einige unendliche Augenblicke lang traten die Sterbenden mit verzweifelter Kraft um sich, dann erschlaffte einer nach dem anderen. Schließlich hingen sie still und unbeweglich an den knirschenden Stricken, die sich fest um ihre Hälse gezogen hatten. Daniel sah noch zu, wie Wilds Leichnam abgeschnitten und in eine Kutsche verfrachtet wurde, die ihn zum Gildenhaus der Wundärzte bringen würde. Dort sollte die Leiche seziert und das Skelett zur Erbauung Neugieriger ausgestellt werden.
    Als sich die Menschenmenge zu lichten begann, wandte sich auch Daniel ab und ging in Richtung Oxford Street zurück. Der Schlag einer wartenden Kutsche öffnete sich, als er sich näherte. Er stieg ein und ließ sich in die zinnoberroten Kissen sinken. Zwei Augenpaare richteten sich erwartungsvoll auf ihn.
    »Er ist tot«, sagte er leise.
    Kitty stieß einen Seufzer aus, der tief aus ihrem Herzen kam. Ihre schmale weiße Hand glitt zwischen die gebräunten rauhen Finger ihres Gatten. Auch Stephen Robinson lehnte sich entspannt zurück.
    »Endlich ist es überstanden!«
    »Welch ein Glück, dass die Friedensrichter am Ende nicht aufgegeben haben«, sagte Kitty inbrünstig. »Warum haben sie Jonathan Wild nur so lange gewähren lassen?«
    Daniel und der Advokat wechselten heimliche Blicke, die jedoch nicht unbemerkt blieben.
    »Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr mir etwas verschweigt«, bemerkte Kitty vorwurfsvoll. »Weshalb habt Ihr mich im Newgate daran gehindert, den Richtern zu ihrer Hartnäckigkeit zu gratulieren, Mr. Robinson?«
    »Ich wollte vermeiden, dass sie den Eindruck gewinnen, Ihr könntet ihre Motive hinterfragen«, antwortete der Advokat mit ernster Miene. »Die Magistrate haben keineswegs aus Pflichtbewusstsein gehandelt, als sie die Jagd auf Jonathan Wild eröffneten.«
    »Aus welchem Grund haben sie es dann getan?«, fragte Kitty. Auf einmal kam sie sich reichlich naiv vor.
    »Bis zuletzt haben sie dem Diebesfänger vorgegaukelt, dass er auf eine Begnadigung hoffen konnte«, erklärte Robinson vorsichtig. »Auf diese Weise sicherten sie sich sein Schweigen. Und als ihm bewusst wurde, dass sie ihm nur leere Versprechungen machten, war es zu spät.«
    »Die Friedensrichter haben ihn also vor Gericht gebracht, weil er etwas Belastendes über sie wusste?«
    »Ja, Madam. Mit Sicherheit«, bestätigte der junge Advokat. »Bedauerlicherweise leben wir in einer Zeit, in der nicht nur die Mächtigen gewissenlos und korrupt sind, sondern auch kleine Beamte und Juristen. Wie war es möglich, dass die Gaunerbanden, die in den letzten Jahren Westminster unsicher machten, so lange unbehelligt geblieben sind – bis es Jonathan Wild gelang, sie zu zerschlagen?«
    »Ihr meint, die Friedensrichter haben mit den Banden gemeinsame Sache gemacht?«, fragte Kitty bestürzt.
    »Natürlich gibt es dafür keine Beweise, Madam. Es sind nur Gerüchte. Aber Jonathan Wild hätte sie vernichten können, hätte er sein Wissen an die Öffentlichkeit gebracht.«
    »Aber …« Kittys Blick wanderte entsetzt zu ihrem Mann. »Wenn ich das gewusst hätte … ich hätte dir nie geraten, dich mit ihnen einzulassen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Daniel und drückte beruhigend ihre Hand. »Es war ein gefährliches Spiel, aber ich hatte keine andere Wahl, als das Wagnis einzugehen. Meine jahrelange Abwesenheit in den Kolonien wiegte die Richter in Sicherheit. So konnte ich ihnen weismachen, dass ich nichts über ihre Verbindung zu den Räubern wusste.«
    »Und wenn sie dir nicht geglaubt hätten?«, warf Kitty ein. »Sie hätten dich ohne Prozess an den Galgen bringen können.«
    »Das stimmt. Aber das Risiko war es mir wert!«
    Die Kutsche hatte sich in Bewegung gesetzt und fuhr über die Oxford Street nach St. James zurück.
    »Nun, da Wild tot ist, kann ich sicher Jonny dazu überreden, in meine Dienste zu treten«, sagte Kitty nach einer Weile. »Es wird Zeit, dass er von der Straße kommt und ein anständiges Handwerk lernt.«
    »Gilt das auch für mich?«, fragte Daniel mit einem ironischen Lächeln.
    »Natürlich nicht. Ich bin so vermögend, dass wir nie wieder arbeiten müssen.«
    »Du willst also, dass wir zusammenbleiben?« Aus seiner Stimme war ein Rest Unsicherheit herauszuhören.
    »Ja. Ich will, dass wir die Zeit nachholen, die Jonathan Wild uns gestohlen hat«, entgegnete Kitty entschlossen. »Ich wünschte nur, dass Helen hier

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