Die Kurtisane des Teufels
wäre und an unserem Glück teilhaben könnte.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Liebevoll nahm Daniel sie in die Arme und drückte sie an sich, während Stephen Robinson sich höflich abwandte und zum Fenster hinaussah.
»Ich bedauere es sehr, dass ich sie nicht kennengelernt habe. Aber wir werden weitere Kinder haben«, murmelte Daniel in ihr Haar. »Wenn du willst.«
»Willst du es?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Ja, ich wünsche mir nichts sehnlicher. Ich habe das Gefühl der Geborgenheit, das man in einer Familie findet, immer schmerzlich vermisst.«
»Ich bin so froh, dass du aus Virginia geflohen und zu mir zurückgekehrt bist«, sagte Kitty. Ein Gefühl des Glücks überflutete sie, wie sie es seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. »Lass uns feiern gehen«, schlug sie vor. »Wir könnten im ›Tom Kings‹ einen Kaffee trinken und dann in der ›Half-Moon Tavern‹ essen.«
»Eine vorzügliche Idee«, stimmte Daniel zu.
»Brooks!«, rief Kitty. »Nach Covent Garden!«
Nachwort der Autorin
Das achtzehnte Jahrhundert war ein sittenloses Zeitalter. Anders als im siebzehnten und später im neunzehnten Jahrhundert hatte die englische Staatskirche erheblich an Einfluss verloren. Die Teilnahme am Gemeindeleben ging zurück, und die Menschen versuchten, dem Leben so viel Vergnügen wie möglich abzugewinnen, ohne Angst vor göttlicher Strafe zu verspüren.
Frauen, die nicht in eine wohlhabende Familie hineingeboren wurden, hatten, anders als heute, wenig Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie waren aus Berufsbereichen wie der Medizin, des Rechts oder des Militärs ausgeschlossen. Einige wenige erlangten Ansehen als Malerinnen oder Schriftstellerinnen. Andere führten ein Geschäft, meist in Partnerschaft mit ihrem Gatten. Die meisten jedoch waren auf schlecht bezahlte Arbeit als Dienstbote, Näherin oder Hökerin beschränkt. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Frauen der Verlockung des schnellen Geldes erlagen, das ein Dasein als Prostituierte versprach. Das Gewerbe erforderte weder ein spezielles Können, noch musste man viel Geld investieren. Viele Frauen, die unabhängig von Bordellwirtinnen arbeiteten, empfingen ihre Freier in den eigenen vier Wänden. Im achtzehnten Jahrhundert wurden Prostituierte nicht in ein Rotlichtviertel ausgegrenzt, sondern wohnten unter demselben Dach wie respektable Bürger, Handwerker und Geschäftsleute. Sie machten durch Werbung auf sich aufmerksam. Von 1757 bis 1795 erschien die sogenannte »Harris’s List of Covent Garden Ladies«, eine Aufstellung der Londoner Prostituierten mit ihren Adressen, Preisen und angebotenen Dienstleistungen. Bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts wurde eine Viertelmillion Exemplare der Liste verkauft.
Das Geschäft mit dem Sex gehörte zu den lukrativsten Industriezweigen der damaligen Zeit. In seinem Buch »The Secret History of Georgian London« beleuchtet der Architekturhistoriker Dan Cruickshank den Einfluss der Sexbranche auf die Entwicklung der Stadt im achtzehnten Jahrhundert.
Eine durchschnittliche Prostituierte verdiente damals zehnmal so viel wie ein ungelernter Arbeiter und immer noch etwa doppelt so viel wie ein Handwerksmeister. Der jährliche Umsatz des Wirtschaftszweigs wurde auf zwanzig Millionen Pfund geschätzt. Es entstand eine neue Gesellschaftsschicht reicher Bordellbesitzer, Zuhälter und hochbezahlter Kurtisanen, die hohe Mieten zahlten und so den Bau eleganter neuer Stadtviertel unterstützten oder selbst Häuser bauen ließen. So trugen sie zur Entstehung der typischen »Georgian« Häuserzeilen bei, die in vielen Teilen Londons noch erhalten sind. Prostituierte waren aber auch Abnehmer von Luxusartikeln aller Art. Die von ihnen gemachten Gewinne flossen wieder in den Wirtschaftskreislauf ein. Edelbordelle nach dem Vorbild der Pariser Sérails, die man in England als »Nonnenklöster« bezeichnete, wurden in London erstmals im Jahre 1750 von Mrs. Goadby eingeführt. Sie fand bald Nachahmerinnen. Eine der erfolgreichsten war Charlotte Hayes, die ein Vermögen von 20000 Pfund anhäufte.
Damals wurde von einem Mann von Welt erwartet, dass er eine Mätresse unterhielt oder Kurtisanen aufsuchte. Es war sogar möglich, dass eine Prostituierte in den Adel einheiratete, wie Lavinia Fenton, die den Herzog von Bolton ehelichte. Elizabeth Farren wurde Gräfin von Derby und Elizabeth Armistead die Frau des einflussreichen Politikers Charles James Fox. Andere, weniger erfolgreiche Prostituierte
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