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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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musst mitkommen.«
    Kittys Gedanken überschlugen sich. Sollte sie die Flucht ergreifen? Doch mit Helen im Arm würde es ihr kaum gelingen, dem Wächter zu entkommen. So ergab sie sich ihrem Schicksal und folgte dem Ordnungshüter zur Wachtstube von St. Paul’s Covent Garden. Der übereifrige Bürger begleitete sie den ganzen Weg und zeigte sich erst zufrieden, als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte.
    Kitty, die ein düsteres Gefängnis erwartet hatte, war erstaunt über das fröhliche Treiben, das im Empfangsraum herrschte. Dieser diente zugleich als Büro und als Trinkstube. Die meisten Nachtwächter waren unterwegs, doch der Inhaber der Wachtstube, der das Gebäude von der Stadt gepachtet hatte, und der Nachtkonstabler hielten die Stellung. Genießerisch an einer langen Tonpfeife saugend, saß der Inhaber mit einem Bettler in Lumpen und einem jungen Mann in fadenscheiniger bürgerlicher Kleidung vor dem Kamin und stieß mit ihnen an. In einer Ecke des Raumes füllte die Gattin des Pfeifenrauchers einen Krug an einem kleinen Fass.
    Als der Wächter und Kitty eintraten, grüßte der Wachtstubeninhaber die Ankömmlinge.
    »Wen bringst du da mit, Bill?«
    »Die Kleine hatte es sich unter einem Verkaufsstand bequem gemacht«, berichtete der Angesprochene. »Eigentlich wollte ich sie nicht behelligen, aber so ein aufgeblasener Moralist bestand darauf, dass ich sie festnehme. Ihr kennt die Sorte, Dick. Wahrscheinlich gehört er der Gesellschaft zur Reformation der Sitten an.«
    »Gut möglich«, stimmte Dick zu und ließ eine Wolke Tabakrauch aus den Nasenlöchern entweichen. »Ich gehe jede Wette ein, dass er morgen zum Bridewell eilt, um den zarten Rücken dieses hübschen Mädchens gestäupt zu sehen.«
    Entsetzt fuhr Kitty zusammen und sah Bill flehend an. »Ist das wahr? Wird man mich auspeitschen? Aber ich habe doch nichts getan!«
    »Du bist eine Bettlerin ohne festen Wohnsitz«, belehrte er sie nicht ohne Mitgefühl. »Das Gesetz besagt, dass Vagabunden und Bettelvolk aufgegriffen und zu einer Woche Zuchthaus verurteilt werden sollen. Dann peitscht man sie aus und schickt sie zu ihrem gesetzlichen Wohnsitz zurück. Aber das Auspeitschen eines einzelnen Gefangenen kostet die Stadt fünf Schillinge, und so verzichten die Magistrate oft darauf, die Züchtigung anzuordnen. Vielleicht hast du Glück, Mädchen.« Mit einer aufmunternden Geste deutete Bill auf die Bank vor dem Kamin. »Setz dich zu den anderen. Wer sich anständig benimmt, braucht hier bei uns nicht die Nacht in der Zelle zu verbringen.«
    Dicks Frau näherte sich mit dem Krug in der Hand und füllte einen Zinnbecher mit Porter. »Hast du Geld, Kindchen?«, fragte sie.
    Schweigend schüttelte Kitty den Kopf.
    »Das dachte ich mir. Na, nimm trotzdem einen Schluck.«
    Mit einem einladenden Lächeln reichte sie Kitty den Becher. Zitternd umklammerte diese das Zinngefäß und trank. Ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben, und so ließ sie sich auf das äußerste Ende der Bank nieder.
    »Wie heißt du, Kleine?«, fragte der Nachtkonstabler, der ein dickes Buch aufgeschlagen hatte.
    »Catherine Harker«, antwortete Kitty nach kurzem Zögern. Wenn sie ihren richtigen Namen angab und man fand heraus, dass sie in London geblieben war, statt nach Southampton zu gehen, erwartete sie mit Sicherheit eine harte Strafe.
    Bill setzte seine Runde fort. Der Bettler, dem dasselbe Schicksal drohte wie Kitty, gab sich unbekümmert.
    »Ich bin schon zweimal ausgepeitscht worden«, meinte er mit einem Schulterzucken. »Es ist gar nicht so schlimm, weißt du. Die Arbeit im Zuchthaus ist viel unangenehmer, wenn man wie ich einen verkrüppelten Arm hat.«
    Seine Worte vermochten Kitty nicht zu trösten. Als sie nicht antwortete, wandte sich der Bettler wieder dem jungen Mann zu, der neben ihm saß. Dieser war ein armer Schreiberling, den seine Wirtin ausgesperrt hatte, als er zu spät aus dem Kaffeehaus zurückgekehrt war. Die Wachtstube gewährte ihm nicht nur eine Unterkunft für die Nacht, sondern auch Bier und Gesellschaft zur Unterhaltung.
    Die Stunden vergingen. Immer wieder unterbrach einer der Nachtwächter seine Runde und kam herein, um von Dicks Frau einen Humpen Porter oder eine Viertelpinte Usquebaugh zu kaufen. Dann saß er eine Weile vor dem Kamin und trocknete seinen Umhang, bevor er wieder in die verregnete Nacht hinausmusste. Großzügig füllte Dicks Gattin mehrmals Kittys Becher nach und lächelte ihr freundlich zu.
    Gegen zwei Uhr morgens

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