Die Kurtisane des Teufels
Wollmantel und schließlich Schürze und Leinenhaube, die letzten Attribute der Anständigkeit, die sie noch besessen hatte.
Ein Perückenmacher bot ihr an, ihr Haar zu kaufen, doch Kitty schreckte vor dieser endgültigen Demütigung zurück. Sie wollte lieber sterben, als wie eine Gassenhure mit geschorenem Kopf herumzulaufen.
Kaum besserte sich das Wetter, kehrte Kitty zu ihrem alten Schlafplatz unter dem Verkaufsstand zurück, den sie mit Philip und Jonny teilte. Mal arbeitete sie den Tag über in einer Bratküche für eine warme Mahlzeit, mal sammelte sie Lumpen, Alteisen oder Asche aus den Herdstellen, die als Dünger genutzt wurde, und verkaufte sie an den Lumpensammler. Selbst unter den Armen galt diese Arbeit als die niedrigste, die man tun konnte.
Doch Kitty hatte aufgehört, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen. Hunger und Erschöpfung raubten ihr den Lebensmut. Sie hatte nicht mehr die Kraft, dem Elend zu entfliehen. Das Einzige, was sie noch aufrecht hielt, war ihre Tochter, die ohne die Mutter zugrunde gehen würde. Für sie musste sie sich jeden Morgen aufraffen und Arbeit suchen. Doch sie tat dies, ohne nachzudenken, wie ein stumpfes Tier, das Tag für Tag gehorsam das Rad der Wassermühle drehte.
15
Ihr Kind in die Armbeuge geschmiegt, ließ sich Kitty unter dem niedrigen Vorbau nieder, der vor dem Fenster des Handschuhmacherladens stand. Jonny und Philipp waren noch nicht eingetroffen, und so machte es sich die junge Frau in der Mitte bequem, wo sie am besten vor dem Nieselregen geschützt war, der bereits seit Stunden anhielt.
Die Sonne war noch nicht untergegangen, doch dichte Wolken verdunkelten den Himmel und ließen nur wenig Licht in die schmalen Gassen fallen. Einige Häuserblocks entfernt rüttelte ein bärtiger Nachtwächter mit seinem Stab an den Türen und Fenstern der Häuser, um zu prüfen, ob sie verschlossen waren. Eine Tür war nur angelehnt. Der Wächter blieb stehen, beschattete die Augen, um sie vor dem niederfallenden Regen zu schützen, hob seine Laterne an und rief zum Fenster hinauf: »Ist jemand da? Eure Tür steht noch auf.«
Ein kahlköpfiges kleines Männchen öffnete das Schiebefenster und sah hinunter. Mit zittriger Hand rückte es seine Brille auf der Nase zurecht.
»Vielen Dank. Ich wusste, dass ich etwas vergessen hatte, aber mir fiel nicht ein, was es war.«
Während der alte Mann die Tür verriegelte, setzte der Nachtwächter seine Runde fort. Als er sich Kittys Schlafplatz näherte, verkrampfte sich ihr Körper vor Anspannung. Eigentlich waren die Ordnungshüter dazu angehalten, Bettler und Vagabunden aufzugreifen und am Morgen dem Richter vorzuführen, doch den meisten war bewusst, dass die armen Leute keine andere Zuflucht hatten, und drückten nachsichtig ein Auge zu. So hielt es auch der bärtige Nachtwächter, als er an der jungen Mutter vorbeischlenderte. Er schenkte ihr sogar ein freundliches Lächeln, das sie schüchtern erwiderte.
Doch an diesem Abend verließ Kitty das Glück. Der Wächter hatte sich noch nicht weit entfernt, als sich ein Passant näherte. Bei jedem Schritt stieß er seinen Gehstock wie einen Spieß auf das Pflaster, als versuchte er, eine unsichtbare Beute zu erlegen. Als er Kitty erblickte, blieb er schockiert stehen, sah sich prüfend um und hämmerte entrüstet mit dem Stock gegen den Bordstein.
»Sir!«, rief er dem Nachtwächter nach. »Ihr vernachlässigt Eure Pflichten.«
Verwundert wandte sich der Ordnungshüter zu dem empörten Bürger um. »Kann ich Euch helfen, Sir?«
»Habt Ihr denn das Bettelweib nicht gesehen, das sich hier unter dem Laden eines hart arbeitenden Handwerkers niedergelassen hat?«, rief der Mann mit dem Gehstock vorwurfsvoll. »Ich verlange, dass Ihr dieses Lumpenpack von der Straße entfernt. Sonst bin ich gezwungen, Eure Pflichtvergessenheit zu melden.«
Mit abweisender Miene kam der Nachtwächter zurück. »Seht Ihr denn nicht, dass die arme Frau sich und ihren Knirps nur vor dem Regen zu schützen versucht?«
»Sie ist eine Vagabundin und gehört ins Zuchthaus«, beharrte der gutgekleidete Mann. »Brave Bürger müssen um ihren Geldbeutel fürchten, weil so viele Gauner und Diebe auf den Straßen herumlaufen.« Da der Ordnungshüter noch immer zögerte, verlangte der Mann in gereiztem Ton: »Nennt mir Euren Namen. Ihr lasst mir keine andere Wahl, als Euch zu melden.«
Seufzend wandte sich der Nachtwächter zu Kitty um und forderte sie auf, ihm zu folgen.
»Tut mir leid, Mädchen, aber du
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