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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Herzog von Marlborough gegen die Franzosen gezogen war. In der Schlacht von Blenheim im Jahre 1704 hatte eine Kanonenkugel Philip beide Beine abgerissen. Der Feldscher hatte mit der Säge die zerfetzten Stümpfe abgetrennt, dem Verletzten aber kaum eine Überlebenschance zuerkannt. Doch wider Erwarten hatte der Soldat die schwere Operation überstanden und war als Krüppel in die Heimat zurückgekehrt. Wenn der Verkauf seiner Balladen nicht genug abwarf, begab er sich zu den armen Pamphletenschreibern, die man anheuern konnte, wenn man sich an einem Feind rächen wollte. Für ein paar Pence verfassten die Federfuchser eine Schmähschrift über das beabsichtigte Opfer, und Bänkelsänger wie Philip gaben diese dann überall in den Straßen zum Besten. Mit der Gehässigkeit der Leute ließ sich oft mehr Geld machen als mit ihrer Barmherzigkeit.
    Die Lebensgeschichte des jungen Fackelträgers Jonathan war nicht so abenteuerlich, aber dennoch nicht weniger tragisch. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Seine Mutter hatte für einen Korsettmacher gearbeitet. Doch dann war sie dem »Kummer-Töter« Gin verfallen und hatte bald mit ihren beiden Kindern, dem sechsjährigen Jonathan und der zweijährigen Alice, auf der Straße gestanden. Als Alice von einer Kutsche überfahren wurde, weil die Mutter in ihrem Genever-Rausch nicht auf sie achtgegeben hatte, war Jonny fortgegangen. Zuerst hatte er gebettelt. Seit etwa einem Jahr verdiente er sich seinen Unterhalt, indem er Nachtschwärmer mit einer Fackel heimleuchtete.
    Als Jonny sich das erste Mal neben Kitty unter dem Verkaufsstand zusammengekauert hatte, war die junge Frau in den frühen Morgenstunden aufgewacht, weil sie seine Hand in der Tasche unter ihrem Rock fühlte. Noch im Halbschlaf versetzte sie ihm eine schallende Ohrfeige, dass ihm Hören und Sehen verging. Sich die schmerzende Wange reibend, murrte er: »He, du hast ja einen härteren Schlag als meine Alte. Dabei sind deine Taschen so leer wie mein Bauch.«
    Von da an unternahm er nie wieder einen Versuch, Kitty zu bestehlen, und behandelte sie mit Respekt. Mit der Zeit gewann sie ihn sogar lieb.
    Die Sommernächte waren warm genug, dass man es auch nachts im Freien gut aushalten konnte. So sparten die Armen das Geld für die Unterkunft und konnten sich dafür eine Flasche Genever leisten. Auch Kitty nahm regelmäßig das Angebot der Krämerläden an, für einen Farthing ein Schlückchen Gin zu trinken, wenn sie ein Stück Brot oder Käse erstand. Selbst Jonny tat es ihr beim Kauf einer neuen Fackel gleich. In London gab es kaum jemanden, der sich nicht hin und wieder einen Becher zur Brust nahm, um Kummer und Sorgen zu vertreiben.
    Nun, da Kitty nicht mehr für Mistress Lewis arbeitete, musste sie täglich für Helen Milch kaufen. Zuweilen gaben die Mägde, die Kühe von Haus zu Haus führten, ihr etwas umsonst. Dann brauchte Kitty nur noch für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen.
    Frühmorgens um sechs Uhr, wenn die Marktglocke läutete, ging sie nach Covent Garden und mischte sich unter die anderen armen Männer und Frauen, die billige Ware zu ergattern versuchten. Da Kitty ohne Handwagen jedoch keine größeren Mengen einkaufen konnte, sah sie sich immer öfter nach einer anderen Tätigkeit um. Doch es war schwierig, mit all den Arbeitssuchenden zu konkurrieren, die sich für einen geringen Lohn anheuern ließen, von dem man kaum eine Mahlzeit bezahlen konnte. Oft sah sich Kitty gezwungen, von Haus zu Haus zu gehen und ihre Dienste als Aufwartefrau anzubieten. Dann schuftete sie den ganzen Tag unter der Fuchtel einer Magd. Kohle musste aus dem Keller in die Küche und die Asche nach unten getragen werden. Wasser gab es entweder an öffentlichen Standrohren oder beim Wasserträger. Nur wenige Häuser waren an die Wasserversorgung angeschlossen. In der Küche musste der Abwasch gemacht werden. Das Zinngeschirr wurde zudem noch mit Salz und Essig eingerieben und danach mit Kreide und Essig poliert, damit es glänzte. An anderen Tagen half Kitty bei der Wäsche. Als Lohn erhielt sie Speisereste, die von den Mahlzeiten der Herrschaft übrig geblieben waren. Zuweilen gewährte man Kitty und ihrer Tochter für ein paar Nächte Unterkunft, wenn viel zu tun war, doch am Ende musste sie wieder auf die Straße zurückkehren.
    Als schlechtes Wetter einsetzte und es tagelang regnete, fürchtete Kitty um Helens Gesundheit. Um die Miete für ein Lager in Mistress Farrells Logierhaus aufzubringen, verpfändete sie ihren

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