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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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zitternder Hand drehte Kitty den Türknauf und betrat den Putzmacherladen auf der Little Russell Street. Ein über dem Eingang aufgehängtes Glöckchen kündigte sie an. Hinter der Ladentheke war ein junges Mädchen damit beschäftigt, Spitzen in Schachteln zu legen und diese dann in ein Regal an der Wand zu räumen. Als das Glöckchen klingelte, wandte das Mädchen sich um und blickte die vermeintliche Kundin fragend an.
    Kitty überkam das Gefühl, dass sie sich in der Tür geirrt haben musste. Mit seinen in den Regalen gestapelten Stoffrollen, den Federn, Spitzen, Rüschen und all dem Putz in den Schaufenstern wirkte der Laden gutbürgerlich und ehrbar. Nun, es schadete nichts, einmal nachzufragen.
    »Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin«, begann Kitty zurückhaltend. »Mistress King von ›Tom Kings Kaffeehaus‹ hat mir diesen Laden empfohlen. Ich hätte gerne die Inhaberin Mistress Grimshaw gesprochen.«
    Das Mädchen lächelte komplizenhaft. »Einen Moment bitte«, bat es und verschwand durch eine Hintertür in der Wandvertäfelung.
    Kurz darauf kehrte sie mit einer Frau in den Fünfzigern zurück, die ein züchtiges schmuckloses Kleid trug. Mit ihrer makellos weißen Schürze und dem zierlichen Spitzenhäubchen wirkte sie wie eine gesittete Matrone, wäre da nicht das kokette Schönheitspflästerchen oberhalb des rechten Mundwinkels gewesen. Mistress Grimshaw musterte den Ankömmling neugierig.
    »Moll King schickt dich zu mir, liebes Kind?«
    »Ja, Madam«, erwiderte Kitty und knickste. »Mistress King sagte, dass Ihr mir weiterhelfen könnt.«
    »Verstehe«, sagte die Putzmacherin und lächelte wissend. »Komm mit, Kindchen. Wir unterhalten uns in meiner Studierstube.«
    Kitty folgte ihr durch die Tür in der Vertäfelung. In dem dahinterliegenden Raum waren einige junge Frauen mit Näh- und Stickarbeiten beschäftigt, während ein blondes Mädchen mit reiner, klangvoller Stimme zur Erbauung der anderen aus einem Roman vorlas. Auf einem Lesepult lag eine aufgeschlagene, von häufigem Gebrauch abgegriffene Bibel. Das ganze Haus atmete tadellose Respektabilität.
    Als Kitty hinter der Putzmacherin schließlich die kleine Schreibstube betrat, war sie so verwirrt, dass sie ein weiteres Mal knickste und sich zum Gehen wandte.
    »Es tut mir leid, Madam. Ich habe mich wohl geirrt.«
    Mit einem breiten Lächeln, das alles andere als sittsam wirkte, hob Mistress Grimshaw die Hand, um die Besucherin aufzuhalten.
    »Warte, mein Kind! Ich bin sicher, du irrst dich nicht«, sagte sie. »In meinem Gewerbe ist es unerlässlich, eine ehrbare Fassade zur Schau zu stellen, um die religiösen Eiferer zu täuschen, die meinesgleichen nur allzu gern am Pranger oder im Gefängnis sehen würden.«
    Kitty blieb zögernd stehen. »Dann ist dies hier tatsächlich ein …«
    »… Bordell?«, vollendete die Gevatterin den angefangenen Satz. »Wenn du es so nennen willst. Ich ziehe den Ausdruck ›Tempel der Venus‹ vor. Meine Kunden kommen hierher, um mit den hübschen Nymphen, die du vorhin gesehen hast, an den Altären der Liebesgöttin zu opfern.« Mistress Grimshaws Blick hatte Kitty nicht losgelassen. »Wie es scheint, hat Moll mir diesmal eine wahre Schönheit geschickt«, sagte sie anerkennend.
    Kitty ließ die Begutachtung schweigend über sich ergehen. Ihr Herz klopfte vor Aufregung und vor Angst, abgelehnt zu werden.
    »Du hast die Pocken durchgemacht?«, fragte die Matrone, als sie die Narben an der rechten Schläfe der jungen Frau bemerkte.
    »Ja, Madam, vor etwa anderthalb Jahren«, antwortete Kitty und sah Mutter Grimshaws Augen zufrieden aufleuchten.
    »Ich nehme an, du hast den Wunsch, für mich zu arbeiten«, sagte die Kupplerin. »Hast du Erfahrung in dem Gewerbe?«
    Kitty erzählte ihr von Henry Montagues Angebot, ließ seinen Namen jedoch auch dieses Mal unerwähnt.
    »Zwölf Guineen?«, rief Mutter Grimshaw aus. »Du wirst es weit bringen. Wie alt bist du?«
    »Achtzehn Jahre, Madam.«
    »Hm, das ist schon recht alt. Die meisten Mädchen werden mit vierzehn in das Gewerbe eingeführt. Aber in deinem Fall wird das kein großer Nachteil sein, hübsch, wie du bist. Löse dein Haar, Liebes.«
    Gehorsam ließ Kitty ihre blonden Locken über ihren Rücken fallen.
    »Sehr gut!«, frohlockte die Matrone. »Nun tu mir den Gefallen und zieh dich aus, damit ich sehen kann, ob dein Körper so gefällig ist wie dein Gesicht.«
    Kitty errötete leicht und schalt sich einen Dummkopf, als sie sich dessen bewusst wurde. Es

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