Die Kurtisane des Teufels
nicht enttäuscht.
»Du wärst eine vorzügliche Schauspielerin«, lobte die Kupplerin ihre gelehrige Schülerin. »Da ist mir wahrhaftig ein Juwel in den Schoß gefallen.«
Sobald Kitty vorzeigbar war, putzte Madam Grimshaw sie dezent, aber geschmackvoll heraus und schob sie schließlich mit einem triumphierenden Lächeln vor einen der unzähligen Spiegel, die es in ihrem Haus gab.
»Sieh selbst, welch eine Schönheit du bist!«
Kitty hielt die Luft an, als sie ihr Spiegelbild sah. Sie erkannte sich kaum wieder. Noch waren ihre Wangen ein wenig eingefallen, aber dieser kleine Mangel tat der strahlenden Erscheinung ihrer weißen, makellosen Haut und der funkelnden kornblumenblauen Augen keinen Abbruch. Ihr goldblondes Haar war zu einem schmucklosen Knoten zusammengesteckt, wie es der Mode entsprach, und umrahmte ihr Gesicht wie ein leuchtender Heiligenschein. Kitty hatte nur ein wenig Puder aufgelegt und die Lippen gerötet, mehr Schminke brauchte sie nicht. Dies kam Mutter Grimshaw, die ihren Zögling als Jungfrau in die Gesellschaft einführen wollte, sehr entgegen.
An Kittys Ohren hingen Saphirohrringe, die mit ihren Augen harmonierten, um ihren Hals lag eine Perlenkette, in deren Mitte ein von Diamanten umrahmter Saphir prangte, und an ihren Handgelenken funkelten Armbänder mit gleichfarbigen Edelsteinen. Das züchtige Brusttuch bestand aus feinem Musselin, das zierliche Häubchen und die Manschetten waren aus teurer Brüsseler Spitze gefertigt, die der schweren venezianischen in den letzten Jahren den Rang abgelaufen hatte. Das Kleid, das Kitty trug, war aus blauer Seide, den Brusteinsatz, der den Spitzensaum des darunter getragenen Hemdes sehen ließ, zierten weiße Satinschleifchen. Den Röcken verlieh ein Reifrock aus hölzernen Schienen, die mit Wachstuch verbunden waren, eine modische kegelförmige Gestalt. Kitty hatte tagelang geübt, wie man sich in einem solchen Reifrock aufreizend bewegte, ihn beim Gehen in Schwingung brachte, so dass Füße und Unterröcke sichtbar wurden. Die Krönung ihrer Aufmachung waren die hauchdünnen bestickten Seidenstrümpfe, die von roten Satinbändern oberhalb des Knies gehalten wurden, sowie die mit silbernen Schnallen versehenen hohen Schuhe.
Kitty fühlte sich wie in einem Traum, als sie, herausgeputzt wie ein herrlicher Paradiesvogel, an Madam Grimshaws Seite die von vier kastanienbraunen Pferden gezogene, elegante Kutsche bestieg und sich in die weichen Kissen sinken ließ.
»Du siehst wundervoll aus«, schwärmte die Kupplerin. »Nicht älter als sechzehn Jahre. Wenn man dich fragt, bist du die Tochter eines Londoner Kaufmanns, der gerade schlechte Zeiten durchmacht. Aus diesem Grunde bleibt dir als pflichtbewusste Tochter nichts anderes übrig, als deine Reize anzubieten.«
»Werden mir die Leute das abnehmen?«, fragte Kitty zweifelnd.
»Ein Großteil der Freudenmädchen hier in London kommt aus dem Bürgertum«, belehrte sie die Bordellwirtin. »Ob es nun die Töchter von braven Handwerkern oder die Gemahlinnen von verarmten Kaufleuten sind, die meisten scheuen nicht davor zurück, in der Not ein wenig Geld nebenbei zu verdienen.«
Als die Kutsche vor dem Drury-Lane-Theater hielt, waren die meisten Zuschauer bereits eingetroffen. Mutter Grimshaw hatte ihre Ankunft genau geplant. So bekam das Publikum, das auf das Eintreffen des Prinzen von Wales und seiner Gemahlin wartete, den Einzug der Bordellwirtin und ihres neuen Zöglings, begleitet von zwei Dienern in Livree, zu sehen. Der Auftritt wurde ein voller Erfolg.
Die Herren und Damen von Rang beugten sich aus ihren Logen, um die Ankömmlinge zu bestaunen. So manches Männerherz schlug höher, als der Blick auf Kitty fiel, die mit züchtig gesenktem Kopf neben der Matrone Platz nahm und sich mit schmaler weißer Hand graziös das Gesicht fächelte. Für alle Nichteingeweihten war sie allenfalls eine bemerkenswerte und vielleicht auch geheimnisvolle Begleiterin, diejenigen aber, die zu ihren Kunden zählten oder um das wahre Wesen von Mutter Grimshaws Geschäft wussten, verstanden den Auftritt der bezaubernden jungen Frau richtig zu deuten: Die Alte bot ihre neueste Ware an.
Kitty fühlte aller Augen auf sich gerichtet und musste sich mühsam beherrschen, um nicht auf der Stelle die Flucht zu ergreifen. Nie hätte sie erwartet, dass ihr Auftreten eine solche Wirkung haben würde. Sie war versucht, sich in den Arm zu kneifen, um sicher zu sein, dass sie nicht träumte. War es wirklich sie, die hier
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