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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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kleinen Kiosk an der Ecke zur Großen Piazza konnte man die Pülverchen namhafter Quacksalber, »Cundums« und Stiche mit unzüchtigen Motiven erstehen. Eine alte Gevatterin schritt mit einem Korb über dem Arm unter den Arkaden der Häuser entlang. Als sie von einer fein gekleideten Frau angesprochen wurde, deren Gesicht von einer Samtmaske verdeckt war, warf Kitty im Vorbeigehen einen neugierigen Blick auf ihre Ware.
    »Das sind ja Püppchen«, flüsterte sie Polly amüsiert zu.
    Die Dame mit der Maske wollte eine bereits erstandene Puppe gegen eine andere umtauschen.
    »Sie ist zu klein«, erklärte sie. »Ich brauche eine dickere.«
    Die Gevatterin wies die Kundin darauf hin, dass sie gewöhnlich eine »gebrauchte« Puppe nicht zurücknahm, aber diesmal eine Ausnahme machen würde, da sie eine so großzügige Kundin sei.
    Polly und Nan begannen zu kichern, als sie Kittys erstaunte Miene sahen.
    »Das sind Godemichés«, klärten sie die Unwissende auf. »Sie sind nur als Püppchen verkleidet, um die Ordnungshüter zu täuschen. Die Dame ist offenbar mit der Leistung ihres Liebhabers nicht zufrieden.«
    Kitty errötete und löste damit noch mehr Heiterkeit bei ihren Begleiterinnen aus.
    »Du bist wahrlich ein Unschuldslamm!«, rief Polly belustigt.
    Unter den Arkaden, die die Eingänge der Häuser um die Piazza überschatteten, waren bereits die ersten Nachtschwärmer unterwegs. Höflinge in Spitzen und Brokat, den Degen an der Seite, mischten sich unter reiche Kaufleute, Offiziere, Theaterschauspieler, Lehrknaben, Lastenträger, Näherinnen, ärmlich gekleidete Fackelträger und natürlich die Freudenmädchen.
    Kitty entdeckte Jonny, der in einem Hauseingang auf Kundschaft wartete, und blieb erfreut stehen. Der Knabe glotzte sie überrascht an, als ihn diese fein herausgeputzte Nymphe vertraulich ansprach und ihn sogar beim Namen nannte.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragte Kitty.
    »Hätte schlechter sein können«, erwiderte er philosophisch, während er sie bewundernd von Kopf bis Fuß musterte. »Schön, dich wohlbehalten wiederzusehen. Es ging das Gerücht um, ein Nachtwächter hätte dich aufgegriffen, und du wärst im Bridewell gelandet.«
    »Das wäre ich auch fast«, bestätigte Kitty. »Ich erzähle dir die ganze Geschichte ein anderes Mal. Richte Philip meine Grüße aus.«
    Kitty griff in ihre Börse und reichte dem Jungen einen Schilling.
    »Wenn du etwas brauchst, komm zu Mistress Grimshaws Putzmacherladen auf der Little Russell Street«, sagte sie. »Ich vergesse alte Freunde nicht.«
    Als sie weitergingen, fragte Polly ihre Freundin neugierig: »Woher kennt ihr beiden euch?«
    »Ich habe einige Nächte mit ihm unter einem Verkaufsstand verbracht«, entgegnete Kitty düster. Ihr Gesicht wurde so ernst, dass Polly nicht weiter nachzufragen wagte.
    »Lasst uns zurückgehen«, schlug Nan vor. »Inzwischen werden sich die ersten Gäste zum Nachtmahl in der ›Rose‹ eingefunden haben.«
    Gemächlich schlugen die drei Frauen den Rückweg ein. Vor der Schenke, über deren Tür ein Schild mit dem Bild einer voll erblühten Rose knarrte, ereignete sich eine Szene, die Kitty erschrocken innehalten ließ. Eine von zwei Pferden gezogene Kutsche fuhr ungebremst auf einen Mann zu, der vor ihr auf dem Straßenpflaster lag, und überrollte ihn. Kitty stieß einen Schrei aus.
    »Allmächtiger! Holt einen Wundarzt«, rief sie.
    Erschüttert wollte sie dem Überfahrenen zu Hilfe eilen, doch Polly legte ihr sanft, aber energisch die Hand auf den Arm und hielt sie zurück.
    »Es ist alles gut, Liebes. Dem Mann ist nichts passiert«, belehrte sie ihre Freundin. »Das ist Richard Lethercote, der Rausschmeißer der ›Rose‹. Für einen Humpen Bier lässt er sich hin und wieder dazu überreden, sich unter eine Kutsche zu legen. Sieh selbst! Es geht ihm gut.«
    Und tatsächlich erhob sich der Mann unverletzt und ließ sich von den Schaulustigen feiern. Richard Lethercote war ein Hüne mit muskelbepackten Schultern und einem Brustkorb wie ein Weinfass. Um die Taille trug er eine Lederschürze, der er wohl seinen Namen verdankte.
    »An Lethercote kommt so leicht keiner vorbei«, meinte Nan. »Und das ist auch gut so. Mancher junge Wüstling schlägt schnell über die Stränge, wenn er zu viel getrunken hat.«
    Eine hübsche junge Frau begrüßte die drei Kokotten, als diese die Schenke betraten.
    »Ah, ein neues Gesicht«, sagte sie mit einem prüfenden Blick auf Kitty. »Seid Ihr gar die schöne Kitty Montague, von der

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