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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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die Unsittlichkeit des Volkes wetterten und zugleich regelmäßig das Bridewell-Gefängnis besuchten, um zuzusehen, wie aufgegriffene Huren und Bettlerinnen mit entblößtem Oberkörper an den Pfahl gebunden und ausgepeitscht wurden.
    Kitty hatte keine Freude daran, mit ihm zu schlafen. Sie hätte jederzeit den schwächlichen, aber höflichen Baron diesem falschen Frömmler vorgezogen, der sie nach dem Akt mit unverhohlener Verachtung ansah und ohne ein Wort ging. Kitty war froh, dass sie ihn wohl nicht wiedersehen würde.
    Ihr Potenzial, als Jungfrau aufzutreten, war nun erschöpft. Madam Grimshaw zahlte ihr die Hälfte des Gewinns, also hundertfünfzig Guineen, aus, die Kitty sogleich zu einem Goldschmied brachte, um sie dort für sechs Prozent Zinsen anzulegen, wie Henry Montague es ihr geraten hatte. Die Höhe der Summe machte sie schwindeln. Sie hatte in drei Tagen – eigentlich waren es kaum mehr als drei Stunden gewesen – fast so viel verdient wie ein geschickter Handwerksmeister in einem Jahr. Ein Stubenmädchen bekam nur einen Jahreslohn von fünf Pfund. So war es wirklich nicht verwunderlich, dass viele weibliche Dienstboten früher oder später den Weg in die Hurerei fanden.

22
    Mutter Grimshaws »Legionen der Venus« empfingen ihre Freier nicht ausschließlich in dem Putzmacherladen auf der Little Russell Street. Manche Kunden, die sich gerade in einer Schenke oder in einem Badehaus vergnügten und denen das dortige Angebot an Freudenmädchen nicht zusagte, schickten Nachricht an die Bordelle von Covent Garden und ließen sich die begehrtesten Damen der Nacht in einer Kutsche oder Sänfte vorbeibringen. Gab es nur wenige Anfragen oder Besucher, schickte Madam Grimshaw einige ihrer Schönen in die Schenken an der Piazza, damit sie sich den noch unentschlossenen Herren zeigten und ihren Appetit anregten.
    Um auch Kitty unter den reichen Nachtschwärmern bekannter zu machen, wies sie sie eines Abends an, mit Polly und Nan, die aufgrund ihrer schwarzen Haare und Augen »die Armenierin« genannt wurde, die »Rose Tavern« aufzusuchen und sich unter die Gäste zu mischen.
    »In der ›Rose‹ findet man spätabends jede Art von Kundschaft – vom Schuhputzer bis zum Herzog«, belehrte Polly ihre Kammergenossin. »Und die Posier-Dirnen sorgen für Unterhaltung.«
    »Was sind Posier-Dirnen?«, fragte Kitty neugierig.
    »Eine Art Tänzerinnen«, erwiderte Polly schmunzelnd. »Du wirst schon sehen.«
    Prächtig herausgeputzt mit Spitze, Seide und Rüschen verließen die drei Frauen den Putzmacherladen und traten auf die Little Russell Street hinaus. Die Sonne war bereits untergegangen, doch in dieser Gegend brannten stets Laternen über den Türen der Häuser, denn Covent Garden schlief nie.
    »Die ›Rose‹ ist gleich gegenüber an der Ecke«, erklärte Nan. In ihren schwarzen Augen spiegelte sich das goldene Licht der Kerzen. »Aber es ist noch früh. Machen wir doch einen kleinen Spaziergang über die Piazza, wenn ihr mögt.«
    Kitty und Polly stimmten zu, und so ließen sie die »Rose Tavern« links liegen und schritten die Russell Street entlang. Hinter den gebogenen Fenstern der Schenken herrschte bereits lärmendes Treiben. Lachen, Grölen und Flüche waren zu hören, und hin und wieder der Lärm von zersplitterndem Glas und umgeworfenen Möbelstücken, der verriet, dass eine Schlägerei im Gange war. Aus einem Hauseingang, in den das Licht der Laternen nicht vordrang, war wollüstiges Stöhnen zu vernehmen, während sich zwei schattenhafte Gestalten rhythmisch bewegten.
    Staunend blickte Kitty sich um. Zum ersten Mal sah sie nun die andere Seite von Covent Garden. Zuvor hatte sie lediglich die Geschäftigkeit des Obst- und Gemüsemarkts, der Handwerker und der Dienstboten, die früh einkaufen gingen, gekannt und das Elend der Hungernden, der Bettler und der Straßenkinder mit ihren Säbelbeinen, die man ironisch als »Käseschneider« bezeichnete. Nach Sonnenuntergang verwandelte sich diese Szenerie der Bürgerlichkeit und der Armut in eine Welt des Überflusses, der Völlerei, der Eitelkeit und der Unzucht.
    Da es eine milde Augustnacht war, standen an etlichen Häusern die Fenster offen. In einigen davon sah Kitty Frauen und Mädchen mit kaum verhüllten Brüsten. Immer wieder beugten sie sich zu vorbeigehenden Passanten hinab, zeigten ihnen ihre ganze Pracht und versuchten, sie so zum Eintreten zu bewegen. Hinter fast jeder Schenke, jedem Laden und jedem Badehaus verbarg sich ein Bordell. In einem

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