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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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wieder in ihre Gedanken? Vielleicht sollte sie Meister Hearne fragen, wenn sie ihm das nächste Mal begegnete, ob er inzwischen von Daniel gehört hatte. Es war doch merkwürdig, dass er dem Viertel, in dem er so lange ansässig gewesen war, sang- und klanglos den Rücken gekehrt hatte. Ob er nach Southampton zurückgegangen war? Hatte er sich dem verderblichen Einfluss des Diebesfängers entziehen wollen? Vermutlich würde sie nie erfahren, was aus ihm geworden war.
    In ihre Gedanken versunken, bemerkte Kitty den Aufruhr vor einem Haus auf der Russell Street erst, als sie nur noch wenige Schritte entfernt war. Es war früh am Morgen, und die meisten Freudenmädchen, die die Nacht über gearbeitet hatten, lagen in tiefem Schlaf. In den Straßen von Covent Garden waren nur die Obst- und Gemüsehändler, die Dienstboten der Schenken und Bordelle und die Hausfrauen, die ihre Einkäufe erledigten, unterwegs. Kitty hatte die freie Zeit genutzt, um ihre Tochter zu besuchen und auf dem Rückweg beim Apotheker kandierte Früchte für Polly und die anderen Mädchen zu erstehen.
    Als sie die Menschenansammlung sah, blieb Kitty instinktiv stehen. Eine Gruppe von Konstablern und Bütteln stürmte die »King’s Head Tavern«, ein als Schenke getarntes Bordell, das von Mutter Hayward geführt wurde, einer der alteingesessenen Kupplerinnen von Covent Garden. Gerade zerrten zwei der Ordnungshüter eine fluchende, sich heftig wehrende Matrone über die Schwelle, während zwei weitere einen Mann abführten, der sich weitaus gelassener gab. Kitty erkannte Madam Hayward und ihren Gatten Richard.
    »Führt sie ab!«, brüllte einer der Konstabler. »Durchsucht jede Kammer und sammelt die Huren ein. Passt auf, dass euch keine entwischt.«
    Er musterte die Menge der Schaulustigen, die sich um ihn und seine Leute versammelte, und begegnete Kittys erschrockenem Blick. Sofort hob er den Arm und deutete in ihre Richtung.
    »Collins!«, schrie der Konstabler. »Da ist eine dieser Schlampen. Verhaftet sie!«
    Der angesprochene Büttel war gerade im Begriff gewesen, den anderen in die Schenke zu folgen, und hatte daher nicht gesehen, auf wen sein Vorgesetzter zeigte. Dies verschaffte Kitty Zeit, sich umzuwenden und die Flucht zu ergreifen. Sie wusste nicht, wie der Konstabler erkannt hatte, dass sie eine Kurtisane war. Vermutlich hielt er jede hübsche Frau in feinen Kleidern für eine Angehörige der gefallenen Schwesternschaft.
    Kitty wagte es nicht, zurückzusehen, während sie die Russell Street in Richtung der Großen Piazza entlangrannte, so schnell es ihre hohen Absätze erlaubten. Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust. Wenn sie verhaftet wurde, würde man sie ins Zuchthaus schicken und sie auspeitschen. Ein Mal war sie diesem schrecklichen Schicksal entgangen. Sie konnte nur hoffen, dass ihr auch dieses Mal das Glück hold sein würde.
    Ihre Kapuze wehte ihr vom Kopf, und die Schneeflocken setzten sich in Augen und Nase fest. Keuchend erreichte Kitty die Straße, die um die Piazza herumlief, und konnte gerade noch einen Zusammenstoß mit einer herannahenden Kutsche vermeiden. Ohne innezuhalten, überquerte sie die Straße und rannte zwischen den weißen Pfosten hindurch, die das Innere des Platzes einfassten. Bei jedem Schritt fuhr ein quälender Schmerz durch ihre Füße, denn die eleganten Stiefel, die sie trug, eigneten sich nicht zum schnellen Laufen. Als die Menschen auf der Piazza Kitty wie einen Paradiesvogel mit wehendem Umhang und fliegenden Röcken herannahen sahen, hielten sie unwillkürlich in ihrem Tun inne und blickten ihr entgegen.
    Kitty konnte der Versuchung nicht länger widerstehen. Sie wandte den Kopf, um zu prüfen, ob der Büttel ihr noch folgte. Prompt tat sie einen Fehltritt auf dem unebenen Pflaster. Der Absatz ihres rechten Stiefels brach. Mit einem Schrei fiel sie zu Boden. Kurz darauf war der Büttel über ihr, packte ihren Arm und riss sie auf die Füße.
    »Nein, lasst mich!«, schrie Kitty.
    Im Nu hatte sich eine Menschentraube um sie gebildet. Händler, Dienstboten, Hökerinnen und Bettler umringten die junge Frau und den Ordnungshüter, der beunruhigt in die Runde blickte.
    »Lasst das Mädchen los, Sir!«, sagte ein Gemüsehändler, der noch einen Kohlkopf in der Hand hielt, so überstürzt hatte er seinen Stand verlassen.
    »Sie ist eine Dirne«, rechtfertigte sich der Büttel und versuchte, sich Haltung zu verleihen, indem er sich in die Brust warf. »Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss für verrufene

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