Die Kurtisane des Teufels
Häuser und sind befugt, Kupplerinnen und Freudenmädchen festzunehmen.«
Die Hand noch immer wie einen Schraubstock um Kittys Arm gelegt, versuchte der Ordnungshüter, durch eine Lücke zwischen den Umstehenden hindurchzuschlüpfen, doch die Menschenmenge schloss grimmig die Ränge.
»Lasst die Kleine gehen!«, forderte eine feiste Frau, an deren Ärmeln Mehl haftete. »Sie geht nur ihrer Arbeit nach wie wir alle. Wisst Ihr nicht, dass wir hier in Covent Garden von den Bordellen leben? Der Bäckerladen meines Mannes könnte von den wenigen Gemüsehändlern und Lastenträgern, die nur billiges Brot kaufen, nicht existieren.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Ein jeder der Ladenbesitzer zählte die Bordellwirtinnen zu seinen besten Kunden, ohne die sie weit weniger Umsatz machen würden.
»Ich muss meine Pflicht tun!«, beharrte der Büttel. Seine Stimme klang jedoch angesichts der bedrohlichen Blicke der Umstehenden nicht mehr so entschlossen wie zuvor.
»Die Kupplerinnen zahlen einen Großteil der Steuern, mit denen auch Ihr entlohnt werdet, Sir«, erinnerte ein Grobschmied den Ordnungshüter. »Also lasst es gut sein.« Scheinbar lässig wog der Handwerker seinen schweren Hammer in der Faust.
Da die Menge keine Anstalten machte, zurückzuweichen, ließ der eingeschüchterte Büttel Kittys Arm schließlich los. Sogleich schob die Bäckersfrau sie schützend hinter sich.
»Kommt mit in meine Offizin«, sagte eine Stimme neben ihr.
Als sie sich umwandte, erkannte sie den Apothekermeister Browne, bei dem sie eine halbe Stunde zuvor die kandierten Früchte gekauft hatte. Am ganzen Leib zitternd, folgte sie ihm zwischen den Umstehenden hindurch zu seiner Apotheke, die unter den Arkaden lag. In der Offizin, die nach Kräutern und Arzneien duftete, bot Browne ihr einen Stuhl an und brachte ihr Wein zur Stärkung.
»Sie haben Mutter Haywards Haus gestürmt«, sagte Kitty. »Ich kam nur zufällig vorbei. Einer der Konstabler schickte den Büttel hinter mir her, obwohl ich mir gar nichts hatte zuschulden kommen lassen.«
»Vermutlich gehört er einer der Gesellschaften zur Reformation der Sitten an«, entgegnete der Apothekermeister. »Diese übereifrigen Moralisten schleusen Spitzel in verdächtige Bordelle ein, um Beweise zu besorgen, aufgrund deren man die Betreiber verhaften kann. Diesmal traf es Mutter Hayward. Nächsten Monat kann es ein anderes Freudenhaus sein. Ihr wart einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Browne wies seinen Lehrknaben an, Kitty eine Schale Konfekt zu bringen.
»Es ist wohl besser, wenn Ihr noch eine Weile hierbleibt, Miss Montague«, meinte der Apothekermeister fürsorglich. »Ich werde Jack nachher losschicken, damit er nachsieht, ob die Luft rein ist.«
Eine Stunde später war der Spuk vorbei, und Kitty konnte unbehelligt in Mutter Grimshaws Putzmacherladen zurückkehren. Das Erlebte hatte ihr auf schmerzliche Weise klargemacht, dass auch ihr Status als hochbezahlte Kurtisane sie nicht unverwundbar machte. Doch ebenso verspürte sie Dankbarkeit und Rührung bei der Erinnerung an die Menschen von Covent Garden, die ihr – wenn auch nicht ganz selbstlos – ohne Zögern zu Hilfe geeilt waren.
»Kitty, Polly, Lucy, holt eure Mäntel. Man hat nach euch gefragt«, verkündete Mutter Grimshaw mit einem selbstzufriedenen Lächeln.
Kitty ließ den Roman von Daniel Defoe sinken, aus dem sie den anderen Mädchen vorgelesen hatte, während diese fleißig ihrer Handarbeit nachgingen.
»Ist es jemand, den wir kennen?«, fragte Polly neugierig.
»Eine hochgestellte Persönlichkeit, die in meinem Haus zu empfangen ich bisher noch nicht die Ehre hatte, wünscht die berühmte Miss Montague kennenzulernen«, erläuterte die Kupplerin, deren Gesicht vor Glück strahlte und dadurch um zehn Jahre jünger aussah. »Polly, Lucy, ihr werdet sie begleiten und den Freunden des hohen Herrn Gesellschaft leisten. Man erwartet euch in der ›Cheshire Cheese Tavern‹. Ich habe bereits angeordnet, die Kutsche anspannen zu lassen.«
Aufgeregt und voller Erwartung eilten die Mädchen in ihre Kammern. Da sie stets fein gekleidet und herausgeputzt waren, frischten sie nur ein wenig ihre Schminke auf und legten dem Anlass angemessenen Schmuck an. Die beiden Zofen huschten geschäftig von einer zur anderen, zupften Häubchen zurecht, strichen Falten glatt und schnürten Mieder nach.
»Habt Ihr eine Ahnung, wer der hohe Herr sein könnte?«, fragte Kitty die anderen.
»Nein«, erwiderte Lucy. »Aber so hat
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