Die Lady in Weiß
aufsehenerregend genug ist, wenn ich um Mitternacht, nur mit einem Hemd bekleidet, in Queens Court unterwegs bin.“
„Wir werden Ihnen bald etwas zum Anziehen beschaffen. “ Verdammt, warum hatte sie ihn erst darauf aufmerksam machen müssen? Sie war so gut wie nackt, und er merkte auf einmal, dass sein Körper darauf reagierte. „Nun sagen Sie mir, zu welchen Freunden hier in der Stadt ich Sie bringen kann. “
Sie senkte den Kopf und antwortete nicht gleich. „Ich habe keine.“
„Na schön, dann auf dem Lande“, sagte er und ärgerte sich darüber, dass sie es ihm so schwer machte. „Ich vergaß, dass die elegante Gesellschaft nicht in der Stadt zu leben pflegt.“
„Das ist es nicht.“ Sie sprach so leise, dass er sie kaum verstand. „Ich meine, ich habe keine Freunde. Bevor Frederick mich heiratete, hätte keine der Frauen seiner Freunde mich empfangen, und danach entschied Frederick, dass wir sie nicht empfangen sollten. Sie sehen, wir waren in Blackstone House ganz für uns, und das hat uns immer genügt. Bis heute.“
„Aber es muss jemanden geben! Eine Tante oder einen Onkel, einen Geschäftspartner Ihres Mannes! “
„Auf Fredericks Seite gibt es nur George.“ Sie lächelte traurig. Früher hätte sie sich an Mr Perkins gewandt, aber jetzt war sie nicht sicher, ob George nicht auch ihn gegen sie aufgebracht hatte, so wie es ihm bei ihren Dienstboten gelungen war.
Betrübt sah sie Jeremiah an. „Ihre Schwester, Desiree, lebt doch in der Nähe von Portsmouth. Vielleicht könnte ich bei ihr bleiben?“
Jeremiah seufzte. Er wusste nicht recht, was er antworten sollte, ohne sie noch mehr zu verletzen, aber sein Seufzen war Antwort genug.
„Nein, natürlich nicht“, sagte sie schnell mit erzwungener Heiterkeit. Sie wollte ihm weitere Erklärungen ersparen. „Was sage ich denn da, ich kann mich ja nicht einfach selber einladen.“
„Es ist nicht so, wie Sie denken, Caro“, entgegnete er. „Meine Schwester ist im Augenblick nicht auf Gäste eingerichtet. Das Schiff ihres Mannes ist mit der Flotte ausgelaufen, und ihr drittes Kind wird noch diesen Monat zur Welt kommen.“
Caros Gesichtsausdruck wurde weich. „Oh, ein Baby!“, flüsterte sie. „Wie glücklich muss Ihre Schwester sein mit so einer Familie! Ich habe mir immer gewünscht - nein, ich sollte nicht noch mehr erwarten, nach allem, was das Leben mir an Gutem beschert hat. Natürlich kann Ihre Schwester jemanden wie mich jetzt nicht gebrauchen. Übermitteln Sie ihr bitte meine guten Wünsche, wenn Sie sie Wiedersehen.“ Diesmal scheiterten ihre Bemühungen, die stolze, hochherzige Lady Byfield zu spielen, kläglich. Ihre Worte waren tapfer, aber an der Art, wie sie den Kopf hängen ließ, erkannte Jeremiah, wie es in Wahrheit um sie stand.
Er legte ihr sanft den Arm um die Schultern. „Ich werde Sie nicht im Stich lassen, Caro. Als Erstes beschaffen wir Ihnen jetzt etwas Angemesseneres zum Anziehen, danach eine geeignete Unterkunft, und dann sehen wir weiter.“
„Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet“, erklärte sie. „Ich werde mich erkenntlich zeigen.“
„Ach, seien Sie still“, entgegnete er grob. „Davon will ich nichts hören. Mein Geld ist genauso viel wert wie Ihres, und nachdem ich Sie bis hierhergebracht habe, werden Sie auch weiterhin mein Gast sein. “
Sie lächelte und dachte daran, wie sehr sich die Gastfreundschaft Captain Sparhawks von der unterschied, die George ihr geboten hatte. Er war ganz anders als alle anderen Gentlemen, die sie kannte, aber er gefiel ihr. Er gefiel ihr sogar sehr. „Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu bezahlen, aber ich danke Ihnen für Ihr großzügiges Angebot. Sie haben mir einen Gefallen getan, und wenn Sie es erlauben, werde ich mich revanchieren. Ihr Freund, Mr Kerr ...“
„Später, Caro“, sagte Jeremiah ernst und zog sie näher zu sich heran. „Wir haben Gesellschaft bekommen.“
Caro hatte nicht bemerkt, dass die Umgebung sich verändert hatte. Sie gingen jetzt durch enge Gassen mit baufälligen Häusern, deren Dächer sich über ihren Köpfen beinahe berührten. Das Pflaster unter ihren Füßen war bedeckt von Unrat und Kot, und der Geruch, der von unten aufstieg, weckte in ihr den Wunsch, Schuhe zu tragen. Zwei Seeleute kamen ihnen entgegen, Matrosen, die lange Zöpfe trugen und runde Hüte mit bunten Bändern. Sie schwankten auf sie zu, und der gierige Ausdruck, mit dem sie Caro ansahen, war nicht misszuverstehen.
Es war eine Ewigkeit her, aber
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