Die Lady in Weiß
er. Die Kabinen auf einem Schiff dieser Größe waren so klein, dass man sich darin kaum umdrehen konnte, und sie waren ein verdammt enges Quartier für zwei Leute, die nur vorgaben, verheiratet zu sein.
„Mr Sparhawk?“ Der rotgesichtige Mann an der Gangway blinzelte gegen die Sonne, dann wischte er sich die Hand an seinem Mantel ab, ehe er sie Jeremiah entgegenstreckte. „Ich bin William Bertie, Captain der Raleigh, und ich freue mich, Sie an Bord begrüßen zu dürfen, das tue ich wirklich.“ Jeremiah ergriff die Hand und fühlte sich durch die Schwielen, die er daran spürte, beruhigt. Er traute keinem Kapitän, der nicht an der Seite seiner Männer arbeitete, so wie er selbst es immer tat. Nein, verbesserte er sich, so wie er es immer getan hatte, als er noch über ein Schiff und eine Besatzung verfügte.
Bertie verbeugte sich pflichtschuldig vor Caro. „Mein Beileid, Madam. Ich bin sicher, Ihr Bruder war ein feiner Gentleman, viel zu schade, um durch diese französischen Schurken zu sterben.“
Caro nickte nur. Jeremiah und Desiree hatten sich eine ganze Familientragödie für sie ausgedacht, aber sie wollte nichts davon hören. Nach dem, was aus der Geschichte mit dem Straßenräuber geworden war, wollte sie so dicht wie möglich bei der Wahrheit bleiben.
Aber Bertie genügte diese Erwiderung, er hatte sich schon wieder Jeremiah zugewandt. „Ich nehme im Allgemeinen keine Passagiere mit, schon gar keine weiblichen, wissen Sie“, sagte er schnell. „Meistens machen sie zu viele Schwierigkeiten, und die Männer werden unruhig. Aber da sie beide verheiratet sind, Mr Sparhawk, werden Sie wohl auf Ihre Frau aufpassen. Sonst hätte ich Sie nicht mitgenommen.“ Er spuckte über die Reling und sah Jeremiah schräg von unten herauf an. „Sie werden doch auf sie aufpassen?“
„Captain Bertie, meine Frau leidet so sehr unter ihrem Verlust, dass sie kaum die Kraft zum Atmen hat. Sie wird sicher keine Unruhe stiften. Und falls sie es doch tun sollte, dann muss sie sich mir gegenüber verantworten, da können Sie sicher sein.“
„Sehr gut, Sir, sehr gut.“ Bertie nickte zufrieden, als er sie an Bord führte. „Die Zügel mit leichter Hand kurz halten und ab und zu mal die Peitsche, wenn es nötig ist. Das gilt für Pferde und für Frauen, nicht wahr?“
„Was für ein abscheulicher Mann“, sagte Caro, als sie an der hinteren Reling standen und zusahen, wie die Leinen losgemacht wurden. „Und du bist nicht viel besser.“ „Wenigstens wird er dich nicht belästigen, denn er weiß, dass er dann Ärger mit mir bekommt, und er wird auch seine Männer warnen.“ Berties Art hatte ihm genauso wenig gefallen wie ihr. „Es hat für uns beide Vorteile, wenn man mich für einen eifersüchtigen Ehemann hält.“
Sie machte keinen Hehl aus ihrem Ärger. „Und ich dachte, du wolltest überhaupt kein Ehemann sein. “
„Das will ich auch nicht, meine Liebe.“ Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie ihn nicht an die Auseinandersetzung mit dem Anwerbetrupp erinnert hätte. Sein Verhalten damals war nicht gerade rühmlich gewesen. „Ich wollte die Überfahrt, und du wolltest dabei sein. “
„Und ich kann dir versichern, dass ich mit meinem jetzigen Ehemann vollauf zufrieden bin. “ Sie hatte kaum die Worte ausgesprochen, da merkte sie auch schon, dass es eine überflüssige Bemerkung gewesen war. „Dieser verflixte Schleier! Ich kann überhaupt nichts sehen! “
Sie versuchte, den üppig gefalteten Stoff zu ordnen, der in der aufkommenden Brise genauso heftig flatterte wie die Segel der Raleigh. Die Schaluppe wendete langsam, drehte sich vom Ufer weg hin zum offenen Meer. Mit einem leisen Aufschrei hielt Caro sich an Jeremiahs Arm fest, während der Boden unter ihren Füßen schwankte.
„Oh, Jeremiah, wir fahren! “, rief sie entzückt und ohne daran zu denken, dass sie sich gerade noch über ihn geärgert hatte. Sie hielt mit einer Hand ihren Schleier zurück. Ihr Lachen war wie das eines Kindes, das sich über ein neues Spielzeug freute. *
„Wir haben es geschafft, Jeremiah! Wir haben Portsmouth und George hinter uns gelassen, und jetzt müssen wir nur noch Frederick zurück nach Hause bringen! “
Was hatten sie geschafft? Lieber Himmel, sie hatten gerade erst angefangen! Aber Caro sah so glücklich aus, dass Jeremiah es nicht über sich brachte, ihr die Wahrheit zu sagen. Warum sollte er auch? Sie würde es noch früh genug erfahren.
8. Kapitel
Die untergehende Sonne hatte die Segel
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