Die Lady in Weiß
zweifelten nicht daran, dass er Carolines Liebhaber war.
„Dieser Mr Sparhawk muss ein alter und vertrauenswürdiger Freund sein, wenn er mit dir eine solche Reise unternimmt“, sagte sie dann und beobachtete mit Genugtuung, wie Caro errötete. „Ist er ein Freund von Frederick?“
„Ich habe Mr Sparhawk erst vor Kurzem kennengelernt, aber er verhielt sich mir gegenüber stets ehrerbietig und höflich, und ich spürte, dass er vertrauenswürdig war“, erklärte sie vorsichtig. „Er ist zwar Amerikaner, aber seine Schwester ist mit Admiral Lord Jack Herendon verheiratet. “
„Ah, Britanniens schönster Captain“, flötete Dorinda. Sie erinnerte sich an die Zeit, als Herendon, damals noch Fregattenkapitän, in Neapel stationiert gewesen war. Sie war ihm im Palast begegnet, und er hatte ihr gut gefallen. Groß und blond, wie er war, hatte er ausgesehen wie ein griechischer Gott und viel heldenhafter als der arme Lord Nelson. Vor vierzig Jahren, dachte Dorinda träumerisch, nein, vor dreißig noch hätte sie Lord Jack erobert.
Aber wenn dieser Sparhawk mit den Herendons zu tun hatte, dann warf das ein völlig anderes Licht auf Carolines Untreue. Jack Herendon hatte sicher eine Schönheit geheiratet, und ihr Bruder war bestimmt jung und auch nicht gerade hässlich.
„Hat dieser Mr Sparhawk Ähnlichkeit mit Lord Jack?“, fragte sie. „Jede Lady wünscht sich für eine Reise in diesen unsicheren Zeiten einen Begleiter, der so mutig ist wie Lord Jack.“
„Nein, sie haben nicht viel gemeinsam“, entgegnete Caro und versuchte, sich die beiden Männer nebeneinander vorzustellen. „Jeremiah ist größer als Jack und kräftiger, er hat dunkles Haar und grüne Augen. Er hat es nicht immer leicht gehabt und ist deshalb oft ein wenig melancholisch. Aber wenn er lächelt, dann vergisst man alles andere. Er ist sehr zuverlässig und bereit, für das zu kämpfen, woran er glaubt.“
Jeremiah. Die Art und Weise, in der die Kleine den Namen aussprach, genügte schon, um sie zu verurteilen. Schlimmer noch, sie war so verliebt, dass sie es nicht einmal bemerkt hatte, sondern weiter von den Qualitäten dieses Mannes schwärmte. Groß, gutaussehend, ein bisschen melancholisch, ein Mann der Tat mit einem Lächeln, das einem das
Herz brach. Oh ja, dachte Dorinda zynisch, er hatte alles, was eine Frau von ihrem Liebhaber erwartete, und war alles, was Frederick - der ruhige, unbeholfene, höfliche Frederick -nie sein würde. Als Frau beneidete sie diese Person um ihr Glück, aber als Mutter hasste sie sie nur umso mehr.
„Mir scheint, du hast gut gewählt, Caroline“, sagte Dorinda und lächelte, sodass sich tiefe Falten in ihr Gesicht gruben. „Mr Sparhawk wird für den nächsten Abschnitt der Reise all seine Kraft brauchen.“
„Dann haben Sie eine Nachricht von Frederick?“, fragte Caro aufgeregt und vergaß ganz, dass sie sich vor Fredericks Mutter kühl und gelassen geben wollte. „Er ist wirklich noch am Leben?“
Verlogene kleine Heuchlerin, dachte Dorinda ärgerlich. Frederick hatte sie aus Liebe geheiratet, und sie vergalt es ihm mit Verrat.
„Wir können nur beten, dass er es noch ist“, sagte sie mit seidenweicher Stimme. „Es heißt, die Lebensbedingungen der Gefangenen seien schlecht. Und Frederick ist ein englischer Gentleman, er ist an Entbehrungen nicht gewöhnt.“ Tränen traten Caro in die Augen. Dass ein Mann wie Frederick so leiden musste! „Hat ihn denn jemand gesehen oder sogar mit ihm gesprochen?“
„Nein. Auch keinen der amerikanischen Gefangenen. Meine Freunde aus diplomatischen Kreisen am Hof haben mir versichert, dass Frederick am Leben sei und auf deine Hilfe warte.“
Tatsächlich hatte es keine solche Versicherung gegeben, im Gegenteil. Der Minister, der ihr die Liste mit den Namen der Gefangenen gegeben hatte, wollte nicht ausschließen, dass es sich um eine Fälschung handelte. Lord Byfield würde nach zwei Jahren vermutlich nicht mehr zu retten sein, nicht einmal durch eine liebende Mutter. Dorinda wusste, dass der Mann recht hatte, denn sie hatte sich schon früher um Frederick bemüht. An jenem Tag, als der Kummer und die Trauer um ihren Sohn noch ganz frisch gewesen waren, hatte sie an Caroline geschrieben und sie zu sich bestellt, und dann noch an George, um die Verbindung zu dem zukünftigen Earl zu festigen. George war ein Dummkopf, aber wenn er den Titel erbte, dann konnte sie endlich zurückkehren und in Würde
und von allen geachtet in Blackstone House
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