Die Lady mit dem Bogen
Saxon stürzte zu Godard hin, der wild sein Schwert schwang und Flüche gegen zwei Männer ausstieß, die flüchteten und den Fluss entlangliefen, als sie sahen, dass Saxon kam, um das Kräfteverhältnis auszugleichen. Sein Bruder setzte den beiden einen Schritt nach, dann fiel er auf ein Knie. Das Schwert über den Kopf erhebend hörte er nicht auf, den zwei Männern wüste Beschimpfungen nachzurufen.
»Nichts passiert!«, sagte Godard, als Saxon ihn erreichte. Ein dunkler Blutstrom, der an seiner Seite und am Bein hinunterlief, widersprach dieser Behauptung.
»Du bist verwundet!«
»Mir fehlt nichts.« Als Godard das Blut abwischte, sah Saxon, dass es nicht das Blut seines Bruders war. »Wer waren diese Schurken?«
»Vermutlich die Leute Jacques Malcoeurs«, sagte Mallory leise hinter Saxon.
Godard stemmte sich hoch und schenkte ihr keine Beachtung, als er die Frage wiederholte.
»Sie hat recht«, erwiderte Saxon. »Es könnte tatsächlich so sein. Malcoeur ist ein Dieb, der es auf jene abgesehen hat, die sich zu lange am Fluss herumtreiben.«
Er wollte nicht offen von dem blitzenden Stahl reden, den er unter den Lumpen des Mannes gesehen hatte. Das Kettenhemd konnte gestohlen sein, oder aber es handelte sich nicht um einen zufälligen Überfall. Ehe er keine Antworten darauf hatte, wollte er keine Lauscher – oder Mallory – in seinen Verdacht einweihen. Er war nicht sicher, was er tun würde, und er wollte sich an den Männern rächen, die es gewagt hatten, sie aus dem Hinterhalt anzugreifen.
»Das werden sie nicht mehr wagen«, sagte Godard.
Saxon wünschte, er hätte seinem Bruder beipflichten können, wenn es sich aber um Malcoeurs Leute gehandelt hatte, hatten sie sich von den Schlägen und Demütigungen des letzten Überfalls nicht abhalten lassen. Waren es aber andere … dann war, wie eben jetzt, überlegene Kampfkraft ihre Rettung gewesen. Nicht seine, auch nicht jene Godards, sondern …
»Wie fühlt Ihr Euch?«, fragte Mallory, die ihren Bogen stützend an ihr Bein gelehnt hatte. Ihr dunkles Haar umgab wirr ihr Gesicht, doch anders als Godard und er selbst zeigte sie keine Anzeichen von Erschöpfung. Ihr Atem ging regelmäßig, ihre Miene war ruhig. Wäre er nicht Augenzeuge ihrer Kampfkunst gewesen, er hätte gedacht, sie hätte nur zugesehen.
»Seid Ihr mir gefolgt?«, fragte er.
»Ja, da ich der Meinung war, Ihr würdet ein zu großes Risiko eingehen, wenn Ihr den Palast nur mit Eurer Laute bewaffnet verlasst. Mir war nicht klar, dass Troubadours auch Dolche bei sich haben, doch habt Ihr wenigstens etwas Verstand gezeigt, als Ihr erst nach Einbruch der Dunkelheit ausgegangen seid. Hattet Ihr Ärger erwartet?« Ihr Kinn hob sich ein wenig, als sie seinem wütenden Blick mit einer Gelassenheit begegnete, die es offenbar darauf anlegte, einen Mann noch wütender zu machen … oder andere Leidenschaften zu wecken, die sich noch schwerer beherrschen ließen.
»Keinen, mit dem wir nicht selbst fertigwerden konnten«, sagte Godard, der humpelnd auf sie zukam und sein linkes Bein möglichst wenig zu belasten trachtete. »Wer ist dieses unverschämte Weibsstück?«
»Sie ist …«
»Ich bin Lady Mallory de Saint-Sebastian, das unverschämte Weibsstück, das Euch das Leben rettete«, sagte sie und warf ihren zerrissenen Köcher über die Schulter.
Saxon lachte unwillkürlich auf. Was für ein bizarres Trio sie abgaben! Da Godard hinkte, musste er sich beim Hinfallen das Knie angeschlagen haben, Blut lief über Saxons Arm, und Mallory … Sein Lachen verging ihm, als er sich zu ihr umdrehte. Erleichterung durchströmte ihn wie schwerer Wein, als er sah, dass von ihrem ruinierten Köcher abgesehen ihr einziger Schaden ihr zerrissener Seidenschleier war.
»Ich begleite Euch zurück zum Palast«, fuhr Mallory fort. »Die Straßen können gefährlich sein, wie Saxon und ich bei meiner Ankunft in Poitiers erfahren mussten.« Wieder sah sie ihn an, und er bemerkte die Reste kalter Wut, die in ihren Augen gebrannt hatten, als sie sich ihren Angreifern stellte. »Ihr hättet Euren Freund vor den Gefahren warnen sollen.«
»Ja, das hätte ich tun sollen.«
Sie zögerte zu seiner Verwunderung. Erwartete sie, dass jedes Wort aus seinem Mund als Herausforderung gemeint war? Mit einem Nicken drehte sie sich um und ging auf das Tor zu, wo ein Wachposten sie mit aufgerissenem Mund anstarrte.
»Mallory de Saint-Sebastian«, höhnte Godard, »sollten ein paar Lektionen erteilt werden, damit sie lernt, wie
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