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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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glauben, sie würde dir den für deine Gefolgschaft verheißenen Lohn geben?«
    »Das ist etwas, worüber ich hier nicht sprechen möchte«, gab Saxon zur Antwort.
    Godard benahm sich oft, als wäre er einige Jahre jünger als Saxon, doch war er eine knappe halbe Stunde älter, der Zweitgeborene eines Drillingspärchens. Der Erste war binnen einer Stunde nach seiner Geburt gestorben, und ihre Mutter hatte den Kampf um ihr eigenes Leben einen Tag, nachdem sie drei Kindern das Leben geschenkt hatte, verloren. Von Vater und Stiefmutter als Erbe nach Kräften verwöhnt, war Godard immer jeder Wunsch erfüllt worden. So hatte er die besten Lehrer bekommen – wiewohl er wenig mehr lernte als Lesen und seinen eigenen Namen zu schreiben – und die besten Waffenmeister und Reitlehrer. Saxon hatte von Glück reden können, dass er am Unterricht teilnehmen durfte, doch hatte es seinen Vater nicht gekümmert, wie sein zweiter überlebender Sohn sich machte. Als Saxon Godard bald in allem übertraf, hatte sein Vater das nicht zur Kenntnis genommen.
    »Ich war nicht sicher, ob du vertrauenswürdig bist, doch sagte unser Ziehbruder immer, man könne dir trauen«, fuhr Godard fort.
    »Wie geht es Bruno?«
    »Er ist tot.«
    Diesmal hallten Saxons Flüche laut über den Fluss, doch senkte er die Stimme, als er sah, dass sich Köpfe nach ihnen umdrehten. Es durfte nicht sein, dass sein Kummer über den Tod seines Ziehbruders das verriet, zu dessen Schutz Bruno sein Leben gelassen hatte. Bruno Humphrey, einige Jahre älter als Saxon und Godard, hatte Saxon aufgefordert, jene Fertigkeiten zu verfeinern, die ein Mann im Dienst seines Landes und seines Königs beherrschen musste. Enttäuschte Saxon Brunos Erwartungen, kam die Strafe rasch und endete meist in Gelächter. Ein Eimer eisiges Wasser über den Kopf oder die Aufgabe, einen einzelnen, gekennzeichneten Halm in einem Heuhaufen zu finden, waren Strafen dafür, dass Saxon das Training vernachlässigt hatte oder die Fragen im Unterricht nicht beantworten konnte. In jedem Fall hatte Bruno, der ihm die Aufgabe stellte, ihm dann bei der Ausführung geholfen, während sie zusammen darüber lachten, welches Missgeschick Saxon tagsüber widerfahren war.
    Bruno Humphrey hatte ihm nähergestanden als Godard oder seine Halbbrüder. Da er wusste, dass Bruno niemals seinen Treueid brechen würde, hätte Saxon sich denken können, dass sein Ziehbruder sich ohne zu zögern dort in den Kampf warf, wo er am heißesten wogte.
    »Das tut mir leid«, sagte er, wohl wissend, dass Godard seine Trauer teilte.
    »Er sprach oft von dir und immer in den höchsten Tönen«, spendete Godard ihm von neuem Lob, ehe er hinzusetzte: »Hoffentlich war sein Vertrauen in dich gerechtfertigt, Saxon.«
    »Das hoffe ich auch.« Er deutete auf das steile Ufer.
    »Ich hatte nicht erwartet, vor den Truppen in Poitiers einzutreffen.« Godard fluchte leise. »Ich hatte gehofft, der König würde inzwischen die Linien der Verräter durchbrechen.«
    Saxon ließ sich von den aufgebrachten Worten seines Bruders nicht aus dem Konzept bringen. »Wie lange gedenkst du zu bleiben?«
    Godards dichte, zwei borstigen Raupen ähnelnde Brauen zogen sich zusammen. Die Brauen und den Ausdruck hatte er von ihrem Vater geerbt. »Du solltest es besser wissen, als mir mit solchen Fragen zu kommen. Ich bleibe, bis ich die mir erteilten Befehle ausgeführt habe.«
    Saxon nickte, als sie über das offene Feld zur Stadtmauer gingen. Er hatte Verständnis für die Antwort, da er ähnlich geantwortet hätte. Hatte sein Bruder sich so stark verändert, dass man ihm nun heiklere Aufgaben übertragen konnte, die anstatt seiner üblichen Wichtigtuerei eine gewisse Gerissenheit erforderten? Er hoffte es, da Godard sonst die fragile Lügenfassade, die Saxon sich geschaffen hatte, zerstören konnte.
    In die Richtung des ihnen am nächsten gelegenen Tores deutend, warf er rasch einen Blick zurück zum Ufer. Männer drängten sich in Gruppen, wo das Dunkel am dichtesten war, niemand aber schien Godard und ihm Beachtung zu schenken. Ein Bursche sah flüchtig zu ihnen her und blickte rasch wieder weg.
    Das genügte als Warnung. Als er hinter sich Schritte hörte, zog er sein Messer und vollführte eine blitzschnelle Wendung. Vier Männer setzten ihnen nach.
    »Godard!«, rief er in der Hoffnung, die kämpferischen Fähigkeiten seines Bruders hätten sich verbessert und würden sich jetzt bei diesem Überfall bewähren. Die Chance, es festzustellen, hatte er

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