Die Lady mit dem Bogen
Bertram de Paris für einen vertrauenswürdigen Verbündeten, da er im Dienst eines solchen steht.«
»Bündnisse sind Veränderungen unterworfen«, hatte seine eigene Antwort gelautet.
Mallory hatte ihm darauf nicht geantwortet, was ihm viel verriet. Von ihr war Kritik an der Königin nicht zu erwarten, auch wenn sie ihre Meinung nicht teilte.
Doch hatte der Pfeil von überall kommen können, von jedem, jene eingeschlossen, die er abgetan hatte, da sie keine geübten Bogenschützen waren. Es bedurfte keiner großen Übung, einen Pfeil nach oben abzuschießen, wie Lady Elita gezeigt hatte. Das traf ganz besonders zu, wenn die Fenster so groß waren wie in diesem Palast. Offenbar hatten weder die Herzöge von Aquitanien noch König Henry jemals damit gerechnet, dass der Palast unter Beschuss geraten würde. Der Schütze hatte nur in die ungefähre Richtung des Fensters zielen und abschießen müssen. Ob der Pfeil durch das Fenster flog und über den Boden des Gemaches schlitterte, ob er etwas oder jemanden traf, kümmerte den Schützen nicht. Wichtig war nur, dass die Botschaft Mallory erreichte.
Saxon hätte dem Schützen sagen können, dass er seine Zeit vergeudete. Eine Botschaft wie diese konnte Mallory de Saint-Sebastian keine Angst einjagen.
Mallory war unter der Drohung erbleicht, doch hatte sie rasch um ein Gespräch unter vier Augen mit der Königin gebeten. Nicht einmal Saxon war aufgefordert worden, der Unterredung beizuwohnen, obwohl er sich darum bemüht hatte. Und Mallory hatte ihm nichts verraten und nur gesagt, die Königin hätte ihr gedankt, dass sie ihr den Zwischenfall meldete.
War Mallory de Saint-Sebastian immer so wenig mitteilsam? Er hatte nur wenig über sie in Erfahrung gebracht. Über ihre Familie wusste er mehr als über sie. Doch verriet ihm die Art, wie sie seinem Blick auswich, selbst wenn er sie in die Arme nahm, dass sie etwas vor ihm verbarg.
Eigentlich keine Überraschung. Im Umfeld der Königin war er noch niemals jemandem begegnet, der nicht etwas verborgen hätte.
»Saxon Fitz-Juste? Bist du das?«, fragte ungeduldig eine Stimme.
Saxons Hand lag unter seinem Umhang auf seinem Messer, als er sich blitzschnell zu dem Mann umdrehte.
»Stehst du hier nur herum, oder willst du deinen Bruder in Poitiers willkommen heißen?«, fragte Godard Fitz-Juste.
Seine Finger bewegten sich nicht, als er seinen Bruder maß, der vom Mond beschienen vor ihm stand. Godard konnte es an Größe nicht mit ihm aufnehmen, doch seine kantigen Züge, die eine gezackte, quer über der Stirn verlaufende Narbe knapp unter seiner Kettenhaube und dem struppigen hellbraunen Haar noch betonte, waren den seinen überaus ähnlich. Der Hieb gegen die Stirn schien ihn nur gestreift zu haben oder war durch den Kettenpanzer gedämpft worden, doch Saxon wusste, dass er von einem Sturz vom Pferd stammte.
Saxon nahm die Hand vom Messer und verschränkte die Finger hinter seinem Rücken, unter der Laute, die er in seiner Stellung als Troubadour der Königin ständig mit sich führte. Für ihren Vater galt ein Mann nur etwas, wenn er sich auf dem Turnierplatz oder dem Schlachtfeld bewährt hatte. Als Erbe ihres Vaters teilte Godard vermutlich diese Kurzsichtigkeit und würde die Stellung eines Troubadours als bedauerliche Vergeudung von Saxons Erziehung ansehen. Saxon ermahnte sich, dass er es sich nicht leisten konnte, seinem Bruder zu erklären, wie gefährlich diese Meinung war … zumindest solange sie am Hof der Königin weilten.
Stattdessen fragte er in einem Ton, so kühl wie jener Godards: »Was führt dich hierher?«
»Hat man dir nicht gesagt, du solltest meine Ankunft erwarten?«
»Ich sollte die Ankunft eines Getreuen des Königs erwarten. Mir war nicht klar, dass es sich um meinen eigenen Bruder handeln würde.«
»Hier bin ich.« Er breitete die leeren Hände aus und schenkte Saxon jenes überlegene Lächeln, das er in ihrer Kindheit so oft gezeigt hatte.
»Du hättest schon vor zwei Wochen eintreffen sollen.«
»Es gab einige Veränderungen.«
Wieder nickte Saxon. Godard sagte ihm nichts, was er nicht schon aus den mit größter Vorsicht vor der Königin geäußerten Worten des Boten des französischen Königs herausgehört hatte.
»Beispielsweise deine Anwesenheit hier am Hof der Königin«, sagte Godard, der den Blick über das Ufer wandern ließ. »Was hat dich bewogen, dich auf die Seite der Königin zu schlagen? Sie hat jeden Eid gebrochen, den sie jemals leistete. Was lässt dich
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