Die Lady mit dem Bogen
irrt, wer weiß, worin er sich noch irrt.«
Sie ließ sein Lächeln unerwidert. »Was wir da unter den zerfetzten Gewändern der Männer sahen …«
Als sie verstummte, wurde er ernst. Aus seinen Augen sprach jenes echte Gefühl, das er zu selten erkennen ließ. »Sagt mir, was Ihr denkt.«
»Ich kann nicht. Es ist unaussprechlich.«
»Da gebe ich Euch recht.« Er blickte finster zur Tür, als Sir Godard wieder seinen Namen rief. »Nicht auszudenken … die Gefahr für die Königin ist ernster, als wir alle dachten.«
Sie legte die Arme um sich, als er zurück in den Raum ging und die Tür schloss. Während sie zu ihrem Gemach in der königlichen Suite ging, wusste sie, dass sie sich zum Schutz Königin Eleanors etwas Außergewöhnliches einfallen lassen musste. Einige Ideen hatte sie schon, und sie konnte nur hoffen, sie würde sich für die richtige entscheiden, um einem Feind in den Arm zu fallen, der womöglich jetzt schon aus unmittelbarer Nähe den nächsten Anschlag plante.
kapitel 8
W as habt Ihr über den Bogenschützen herausgefunden, der auf mich zielte?«, fragte Königin Eleanor. Sie saß auf einem Stuhl neben einem kalten Kamin in ihrem Privatgemach. Regen prasselte auf den breiten Sims des Fensters, das auf die Gartenanlage blickte, in der es so ruhig war, dass man jeden Tropfen hörte, der auf einen Stein fiel. Die Luft war schwer, als hätte ganz Poitiers einen tiefen Atemzug getan und wäre zum Ausatmen noch nicht bereit, weil man warten wollte, was als Nächstes geschehen würde.
Auf dem Gesicht der in schwere Stoffe gehüllten Königin zeigte sich kein einziger Schweißtropfen. Die neben ihr sitzende Comtesse Marie war in ihre Stickarbeit vertieft. Beide gaben sich unbefangen, doch stand Amaria, die Zofe der Königin, an der Tür und bewachte diese.
»Noch habe ich nichts in Erfahrung gebracht, Euer Majestät.« Mallory sagte es sehr ungern.
»Und die Überfälle auf Saxon und Godard Fitz-Juste am Fluss … wisst Ihr schon mehr darüber?«
Wieder sagte Mallory die bitter schmeckenden Worte: »Ich konnte leider noch keinen Fortschritt erzielen, Euer Majestät.«
Königin Eleanor schüttelte seufzend den Kopf. »Ich weiß, dass Ihr Euer Bestes versucht, Lady Mallory, aber vielleicht habe ich nach den Leistungen der anderen Damen aus der Abtei zu viel von Euch erwartet.« Sie schenkte Mallory ein sanftes Lächeln, um die Wirkung ihrer Worte zu mildern. »Ich gebe Euch nicht die Schuld. Ich suche sie bei mir selbst, da ich vergaß, dass Ihr fremd in Poitiers seid. Vielleicht wäre es besser, ich würde die Sache jemandem übertragen, der mit der Stadt vertraut ist.«
»Wenn Ihr dies wünscht, überlasse ich es gern jemand anders, die Wahrheit aufzudecken«, sagte Mallory. Sie erstickte fast an den Worten, die sie nicht sagen wollte. Sie hatte den bitteren Geschmack vergessen, der sich einstellte, wenn sie eingestehen musste, dass sie jemanden enttäuscht hatte, dem sie ihren Wert beweisen wollte. Auf Castle Saint-Sebastian war es ein gewohnter Geschmack auf ihrer Zunge gewesen, immer spürbar, wenn sie mit ihrem Vater sprach. Die Jahre in der Abtei hatten ihr gezeigt, dass auch sie etwas wert war, nun aber sah sie sich wieder einem Versagen gegenüber. Sie blickte die Königin ruhig an und sagte: »Ich möchte Euch freilich bitten, dass ich diese zwei Vorfälle weiter untersuchen darf.«
»Ebenso den Überfall auf Euch unmittelbar nach Eurer Ankunft.«
»Ja.« Es erstaunte sie nicht, dass die Königin wusste, was passiert war, obwohl sie ihr nichts von Jacques Malcoeur und seiner Bande verraten hatte. Sie vermutete, dass die Königin überall in der Stadt ihre Späher hatte, mit ein Grund für ihre – und Mallorys – Ungeduld, dass die Namen der Attentäter sowie jene der als Diebe verkleideten Männer in Rüstung noch nicht ermittelt worden waren.
Die anderen Schwestern, die dem Ruf der Königin gefolgt waren, hatten sich genau an ihre Befehle gehalten und ihre Sache so gut gemacht, dass ihre Abenteuer hinter den Klostermauern bereits legendär geworden waren. Alle Schwestern in der Abtei strebten danach, sich bewähren zu dürfen und Leistungen zu erbringen, die ihnen einen Platz im Pantheon der Heldinnen sicherten.
Und Mallory stand ein schreckliches Versagen bevor.
»Ich sehe kein Problem, wenn Ihr weitermacht, obzwar ich Euch daran erinnern möchte, dass ich von Euch erwarte, Eure Pflichten als meine Beschützerin wahrzunehmen«, sagte die Königin mit einem Blick auf ihre
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