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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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einmal, also sorge dafür, dass du sie dir aufsparst, bis sie die größte Wirkung entfaltet. Wie oft hatte sie die von Nariko erteilte Lektion vor ihren Schülerinnen wiederholt.
    Sie setzte sich auf einen Hocker Meister Ivon gegenüber und zog ein Messer hervor, um sich an die Arbeit zu machen und die Rinde von den dünnen Zweigen zu schälen. Sie schnitzte die Zweige schmäler zurecht, wobei ihr mit jedem Schnitt ein anderes Beispiel einfiel, das ihr hätte zeigen müssen, dass Saxon die Kampferfahrung eines geübten Kriegers besaß.
    »Was macht Ihr da?«, fragte Meister Ivon.
    »Auf der Reise nach Poitiers brachen mir ein paar Schäfte. Die muss ich ersetzen«, sagte sie und wünschte, sie hätte aufrichtig sein können. Ehe sie nicht entdeckt hatte, wer den Tod der Königin wollte, musste sie mit ihren Worten vorsichtig sein.
    »Habt Ihr schon andere Pfeile gemacht?«
    »Ja.« Sie hoffte, er würde nicht fragen, wie viele, da sie längst vergessen hatte, wie viele Pfeile sie befiedert hatte, um gebrochene oder von ihren Schülerinnen verlorene zu ersetzen. »Was habt Ihr an den Pfeilen, die ich Euch brachte, entdecken können?«
    »Dass nicht ich sie anfertigte.«
    Mallory konnte ihre Enttäuschung nur mit Mühe verbergen. War das alles, was er festgestellt hatte? Da sie ihn noch brauchte, wollte sie ihn nicht verärgern und sagte: »Das dachte ich mir. Wisst Ihr, wer sie machte?«
    »Nicht namentlich«, sagte er und stellte den Schaft, an dem er arbeitete, zurück auf den Tisch. Er hob einen der Pfeile hoch. »Dieser wurde von einem Meister gemacht, da er gerade ist und die Befiederung gut angebracht ist.« Er legte ihn auf den Tisch und griff nach dem anderen, der noch immer so geknickt war, dass er nicht flach dalag. »Die Hände, die diesen da schufen, gehören keinem Meister, da die Befiederung nicht von der Schwinge desselben Vogels stammt.« Er strich mit dem Finger über die mit einem Seidenfaden befestigten Federn. »Seht Ihr? Diese Feder wurde hinten eingefügt, in einem unbeholfenen Versuch, sie den anderen anzupassen und jemanden glauben zu machen, der Pfeil könne richtig fliegen.«
    »Sein beabsichtigtes Ziel hat sich vielleicht also gar nicht in der Richtung befunden, in die er flog?«
    Der Blick seiner müden Augen bohrte sich in sie, als er ihr die Pfeile reichte. »Ihr könnt offen reden, Mylady. Ich weiß, dass Ihr die Königin gerettet habt. War sie das eigentliche Ziel? Schon möglich, doch überseht Ihr einen offenkundigen Grund, warum die Feder so angefügt wurde.«
    Sie legte die Pfeile zurück auf den Tisch. »Der Pfeil wurde mit Absicht so befiedert, damit er keine gerade Bahn fliegt. Wurde er einzig dafür gemacht, um der Königin Angst einzuflößen?«
    »Schon möglich«, wiederholte er.
    »Damit erhielt der Schütze eine Chance zu flüchten oder sich unter die anderen zu mischen, ohne dass es auffiel, weil wir uns zunächst vergewisserten, ob die Königin unversehrt blieb.«
    »Schon möglich.«
    »Ich begreife nicht, wie zwei Schützen unbemerkt so nahe an die Königin herankommen konnten.«
    »Da gäbe es viele mögliche Wege, doch Gewissheit verschafft nur die Frage, wer diese Pfeile an die Sehne hielt.« Er machte sich wieder über den Pfeil her, den er in Arbeit hatte.
    Mallory starrte die weiß befiederten Pfeile vor sich an. Die unsichtbaren Täter waren viel gerissener, als sie geahnt hatte. Sie hatten mit nicht mehr als zwei Pfeilen, von denen der eine zudem noch fehlerhaft war, Panik verursacht. Seufzend warf sie den geknickten Pfeil auf den Tisch und machte sich wieder über die dünneren Pfeile her. Sie wollte mindestens ein halbes Dutzend zurechtmachen.
    Meister Ivon erhob sich, kam um den Tisch herum und blickte ihr über die Schulter. »Das sind aber schwache Pfeile, Mylady.«
    »Sie werden meinem Zweck genügen.«
    Er furchte die Stirn. »Ich dachte, Ihr wäret hier, um die Königin zu schützen. Diese Pfeile würden nur den Ärmel eines Mannes durchdringen. Trüge er ein Kettenhemd, dann …«
    Sie drehte sich auf dem Hocker zu ihm um. »Was wisst Ihr von Männern in Kettenhemden?«
    »Was meint Ihr damit? Krieger tragen Rüstungen, wenn sie in den Kampf ziehen, sei es auf das Schlachtfeld oder auf den Turnierplatz. Was gibt es darüber sonst noch zu wissen?«
    »Nicht viel«, sagte sie, sich insgeheim scheltend, weil sie sich auf eine einfache Bemerkung gestürzt hatte. Meister Ivon hatte eine harmlose Bemerkung gemacht, nicht mehr.
    Sie hatte übertrieben

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