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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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sich nahm.«
    Saxon sah die Frau an, und Mallory ließ sich gegen die Wand sinken, atemlos, als wäre sie gerade über die Meerenge gerudert, der die Länder König Henry des Älteren teilte. Seine Augen besaßen zu viel Macht über sie und schlugen sie immer wieder in ihren Bann. Sie musste auf der Hut sein und ihrem Blick ausweichen.
    »Ja«, sagte er, wieder nach der Laute greifend, »der Ritter nahm das Gewand des Barons an sich, und der arme Garwaf musste den Wald fortan als das wilde Tier durchstreifen, das er nun von Dämmerung zu Dämmerung war. Seine Bauern suchten ihn vergebens. Alle hielten ihn für tot … bis auf den Ritter und die Dame, die er zur Frau nahm.
    So ging es einige Jahre, bis eines Tages der König mit seinem Hofstaat in jenem Wald jagte. Garfaw, der wusste, dass die Hunde des Königs ihn in Stücke reißen würden, trat vor den König, der hoch zu Ross war, und flehte nach Art der Tiere um sein Leben, indem er den Stiefel des Königs leckte. Erstaunt schenkte der König Garwaf ihm das Leben und brachte ihn an seinen Hof, wo der Wolf ob seiner Liebe zum König als Wunder galt. Ein Erlass sicherte dem Wolf Schutz zu, da das Tier sanftmütig war und niemandem ein Leid antat.«
    Er legte die Laute auf seine Knie, während er in seiner Geschichte fortfuhr. Sie staunte über die Festigkeit und Klangfarbe seiner Stimme, doch war es nicht zuletzt seine Wortgewalt, die ihm die Aufmerksamkeit aller in dem riesigen Raum sicherte. Vor allem aber staunte sie, wie ein so kraftvoller Mann sich mit der Rolle des Troubadours begnügen konnte.
    Rolle! Er spielte eine Rolle. Wieder stockte ihr fast der Atem. Warum hatte sie die Wahrheit nicht eher erfasst? Als sie ihn im Kampf mit Malcoeurs Leuten sah, hätte ihr alles klar sein müssen. Und wenn schon damals nicht, da sie ihn an jenem Tag noch nicht gut kannte, hätte sie seine Kampfkraft erkennen müssen, als er an der Seite Sir Godards kämpfte.
    Wer war Saxon Fitz-Juste? Wichtiger noch, warum hielt er sich am Hof der Königin auf? Er musste einen Grund haben, eine solche Rolle unter ihren Höflingen zu spielen.
    Während Saxon in seiner Erzählung fortfuhr und berichtete, wie der König seine Gefolgsleute zu einem Fest lud, darunter auch den Ritter, der Garwafs Kleider gestohlen hatte, stand Mallory auf. Aus der großen Halle zu schlüpfen, war einfacher, als sie gedacht hatte, da die anderen wie gebannt an Saxons Lippen hingen. Ihr bohrendes Schuldgefühl, weil sie ihre Pflicht vernachlässigte – wenn auch nur für die kurze Zeit, die sie benötigte, um die vielen Gedanken zu ordnen, die auf sie einstürmten – ließ nach, als sie sowohl de Matha als auch Mangot in der Nähe der Königin stehen sah. Und Saxon saß zu ihren Füßen.
    Oder war dies womöglich von Übel? Sie konnte es nicht annähernd abschätzen, da sie keine Ahnung hatte, was der wahre Grund seiner Anwesenheit im Palast war.
    Mallory trat hinaus auf den großen Hof. Anders als im großen Gemach der Königin, wo dicke Steine die Sommerhitze abhielten, war die Luft hier heiß und drückend. Ein Donnergrollen ertönte, dessen Nachhall dem Flusslauf um die Stadt herum zu folgen schien. Sie blickte zum Himmel. Wolken ballten sich schwarz am westlichen Horizont, über ihr aber war der Himmel noch immer hellgrau. Es konnte noch Stunden dauern, bis das Unwetter Poitiers erreichte.
    Mehr aus Gewohnheit als aus einem anderen Grund strebte sie der Bogenmacherei zu. Auch in St. Jude’s Abbey hatte sie dort oft Zuflucht gesucht, und die Schwestern hatten gelernt, sie nicht zu stören, wenn die Tür nicht angelehnt war. Sie hoffte, Meister Ivon würde mit der halb offenen Werkstatttür auf der andere Seite des Hofes dasselbe meinen.
    Der alte Mann nickte bei ihrem Eintreten und beugte sich sofort wieder über seine Arbeit. Mit leisen Hammerschlägen brachte er Pfeilspitzen am Ende eines Schaftes an. Sie wollte fragen, ob die Untersuchung der auf die Königin abgeschossenen Pfeile ein Ergebnis gebracht hätte, doch wartete sie, bis er ihre Anwesenheit zur Kenntnis genommen hatte.
    Mallory ging zu dem Haufen von Zweigen, die darauf warteten, zu Schäften verarbeitet zu werden, und suchte die dünnsten heraus. Sie wusste zwar nicht, warum Saxon sich in Poitiers aufhielt, doch wusste sie, wie sie die Absichten des Übeltäters, der der Königin nach dem Leben trachtete, vereiteln wollte. Sie gedachte, den Mörder mit einer Überraschungstaktik zu überrumpeln.
    Doch eine Überraschung funktioniert nur

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