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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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richtete.
    Saxon seufzte. Wie er den Maler um seine Freude an der Arbeit beneidete, die dem Wohl aller diente, die in die Kirche kamen! Er legte seine Stirn in die Hände und stützte die Ellbogen auf die Knie. Mit wie viel Begeisterung war er nach Poitiers gekommen, um für König Henry den Älteren im Palast der Gemahlin des Königs, die diesem entfremdet war, Augen und Ohren offen zu halten. Jetzt hasste er diese Verstellung, die sein Leben verzehrte. Er verachtete die Lügen und Halbwahrheiten, hasste es, jene zu verletzen, die Vertrauen zu ihm gefasst hatten.
    Anfangs war alles so einfach gewesen. In seinen ersten Monaten in Poitiers hatte er keine Schwierigkeiten gehabt, sich als Troubadour auszugeben, der sich den Liebeshof erwählte, um sein Wissen über alle Aspekte der Liebe zu vervollkommnen. Sogar Königin Eleanor hatte ihm geglaubt, dass er als unzufriedener zweiter Sohn unter König Henry dem Älteren keine Zukunft gesehen hatte. Sie hatte ihn willkommen geheißen, sich an seinen Liedern und Geschichten erfreut und ihn sogar in ihren engeren, vom Rest des Hofes abgesonderten Haushalt aufgenommen.
    Dann war Mallory de Saint-Sebastian erschienen. Mit dem scharfen Auge einer Bogenschützin hatte sie Dinge an ihm entdeckt, die allen anderen entgangen waren. Ihr waren Zweifel an seiner Stellung im Palast gekommen. Er hatte ihre Fragen bislang abgelenkt, indem er sie in die Arme nahm. Und jetzt konnte er einzig daran denken, sie in sein Bett zu nehmen.
    Er hörte, wie der Maler einen Fluch ausstieß, der in der Kirche unangebracht war. Der Maler fuhr mit seinem Hemd über die Mauer, wo das Rot wie eine Blutspur herunterfloss, als wäre der Heilige verwundet.
    Saxon stand auf und ging die Stufen hinauf. Er schritt durch die Tür und zog sie hinter sich ins Schloss. In einem Punkt hatte Godard recht: Mallory lenkte ihn tatsächlich von seiner Aufgabe ab. Er musste sich auf das konzentrieren, was er in Poitiers zu tun hatte. Der einfachste Weg war es, sie daran zu erinnern, dass der unsichtbare Bogenschütze, der die Königin hätte töten können, noch immer nicht gefasst war. Während sie fadenscheinigen Hinweisen hinterherjagte, würde er die von König Henry dem Älteren erwarteten Informationen sammeln und sie durch Godard dem König zukommen lassen. War das Glück ihnen gewogen, würden sie beide ihren Auftrag in Poitiers erfolgreich zu Ende bringen.
     
    Ruby hatte sich in die Kammer neben Mallorys Gemach zurückgezogen. Der Raum, den Mallory jetzt bewohnte, war noch prächtiger als jener, den man ihr nach ihrer Ankunft gegeben hatte. Goldfarbige Draperien schmückten Fenster und Bett. Zwei Wandbehänge mit Jagdszenen milderten im Winter die Kälte. Die Einrichtung – Bett, Schrank, zwei Stühle beidseits eines Tischchens – wiesen kunstvolle Schnitzereien in Form von Vogel- und Blumendarstellungen auf. Einen so elegant ausgestatteten Raum hatte sie noch nie bewohnt, doch hatte sie sich in den vergangenen vierzehn Tagen an die Pracht gewöhnt.
    Völlig versunken und ohne auf ihre Umgebung zu achten, saß Mallory an dem kleinen Tisch und bearbeitete die Holzreste, die ihr Meister Ivon überlassen hatte. Sie hatte sich damit in ihr Gemach zurückgezogen, wo seine wissenden Augen nicht sehen konnten, was sie damit machte. Die dünnen Pfeilschäfte, die sie in seiner Werkstatt angefertigt hatte, stapelten sich auf dem Tisch, doch galt ihr Eifer im Moment einem Kästchen, dessen Ecken sie zusammenleimte. Der scheußliche Geruch des in der Kräuterkammer hergestellten Leims reizte sie zum Husten, doch sie ließ sich bei ihrer Arbeit nicht stören.
    »Was macht Ihr da?«
    Von Saxons Frage erschreckt, ließ Mallory den Pinsel auf den Tisch fallen. »Und was macht Ihr hier?«
    »Ich brachte der Königin ein neues Gedicht zu Gehör.«
    »Das gibt Euch nicht das Recht, in mein Zimmer einzudringen.«
    »Das tat ich nicht. Ich klopfte an, und Ruby ließ mich ein.« Er blickte zur Tür.
    Der Schatten konnte die Magd sein, die Mallorys Unwillen ausweichen wollte, während sie Saxon nicht aus den Augen ließ, solange er sich hier aufhielt.
    Seufzend griff Mallory nach dem Pinsel und steckte ihn in die Leimflasche. Sie tat die Holzstücke beiseite, als er sie wieder fragte, was sie mache.
    »Ich habe erst angefangen«, antwortete sie, »also lasst mich sehen, ob ich es zu Ende bringe, ehe ich alle Eure Fragen beantworte.«
    »Alle meine Fragen?«
    »Alle, die ich beantworten kann.«
    Er lächelte. »Das ist schon eher

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