Die Lady mit dem Bogen
schniefend ein verächtliches Lachen hören. »Du kennst die Geschichte ihrer Ränke und weiblichen List.«
»Wie hätte ich die Geschichte kennen sollen? Bis vor einem Monat hatte ich nicht gewusst, dass es sie oder ihre Abtei gibt.«
»Abtei?« Godard drehte sich zu ihm um. »Will sie ins Kloster gehen?«
Saxon zwang ich zu einer unbewegten Miene. Godard durfte nicht arg wöhnen, dass er eben etwas enthüllt hatte, das geheim zu halten er geschworen hatte. Was war nur mit ihm los? Er wusste, dass er seinen Mund halten konnte. Das war der Grund, weshalb er sich entschlossen hatte, nach Poitiers zu kommen.
»Ich nehme an, dass sie ins Kloster zurückkehrt, wenn sie hier fertig ist«, formulierte er vorsichtig. Er würde sich hüten, mehr über St. Jude’s Abbey preiszugeben.
»Sie kehrt dorthin zurück? Wann war sie denn im Kloster?« Godard ließ ein scharfes Lachen hören. »In den kurzen Wochen zwischen ihrer Scheidung von Louis und ihrer Vermählung mit Henry?«
»Ich missverstand deine Worte«, sagte Saxon, der erschrocken erkannte, dass Godard von der Königin gesprochen hatte. »Ich dachte wir sprächen von einer anderen.«
»Von deiner Schlampe etwa?«
Seine Hand griff nach dem Messer. »Sie heißt Lady Mallory de Saint-Sebastian.«
»Willst du mich fordern, weil ich deine Lady schmähte?«
»Mach dich nicht lächerlich.« Saxon nahm die Hand vom Messer und lächelte kühl. »Vergiss Lady Mallory.«
»Den Rat schreib dir selbst hinter die Ohren. Diese Frau legt es darauf an, dich nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.«
»Das lass meine Sorge sein.«
»Und meine Sorge soll sein, wie die Königin dich behexte? Ich sah dich wie ihr Lieblingsschoßhündchen zu ihren Füßen sitzen. Sie ist durch und durch böse und sät Aufruhr in den Herzen ihrer Söhne, die ihrem Vater Treue gelobten.«
Saxon schwieg still, als eine Kuhherde von unten am Hügel auftauchte. Zwei Knaben trieben die muhenden Rinder auf eine Ecke zu, hinter der die Straße der Schlachter lag.
Er wandte sich wieder Godard zu und sagte: »Ich bin nicht verhext, nur weil ich mich bemühe, mein Gelöbnis zu erfüllen. Ich habe meinen Eid nicht gebrochen und werde es nicht tun.«
»Dann musst du deine Lady Mallory loswerden.«
»Warum?« Godards beleidigendem Ton schenkte er keine Beachtung, da er zu geschockt über seine Worte war. Seitdem Godard mit der Nachricht vom Tod ihres Ziehbruders in Poitiers eingetroffen war, war nichts nach Plan gegangen.
Brunos Tod ließ Saxon nicht los. Hätte er sich energischer bemüht, Bruno zu überreden, er solle nach Poitiers mitkommen, anstatt Ruhm auf dem Schlachtfeld zu suchen, hätte sein Ziehbruder noch am Leben sein können. Er hätte ihn gebraucht, um Godard zur Räson zu bringen. Völlig aus der Fassung geraten, weil er von einer Frau gerettet worden war, sah sein Bruder sie jetzt nur als Schlampe, die es wagte, in eine den Männern vorbehaltene Welt einzudringen. Von den Männern im inneren Kreis der Königin, die Mallorys Waffenkunst und ihr Training mit den Damen als Affront gegen ihre Männlichkeit betrachteten, war Godard seiner besudelten Ehre wegen bemitleidet worden. Eine einzelne Frau, die einen Bogen handhaben konnte, war nicht mehr als eine unterhaltsame Kuriosität; wenn aber andere Frauen den Umgang mit der Waffe lernten, konnte die sorgsam geordnete Welt des Liebeshofes ins Wanken geraten, eine Welt, in der Frauen angebetet wurden und Männern die Ehre zufiel, sich als Krieger zu bewähren.
Benahm Mallory sich von nun an wie die anderen Damen, würde sich die unterschwellige Beunruhigung vielleicht wieder legen. Er versuchte sie sich vorzustellen, wie sie ruhig dasaß und einem mit künftigen Taten prahlenden Mann lauschte, den sie mit einem köstlichen Lächeln belohnte.
Unmöglich!
Ihre Worte waren so spitz wie die Pfeile, die sie so geschickt abschoss, und ihre veilchenblauen Augen sprühten Funken, die einen Mann versengen konnten. Hätte er sich jemals eine Ordensschwester in der Haltung eines geübten Bogenschützen vorstellen können, angetan mit einem schlichten Leinengewand, das kaum ihre Knie bedeckte und ihre wohlgeformten Beine enthüllte? Seit jener Nacht waren Wochen vergangen, doch war ihm jede Einzelheit seines Besuches in St. Jude’s Abbey in Erinnerung geblieben.
St. Jude’s Abbey! Noch so eine Geschichte, die er nicht geglaubt hätte, doch hatte er die Wahrheit mit eigenen Augen gesehen. Welche Frau außer Königin Eleanor, die mit ihrem ersten Gemahl
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