Die Lady mit dem Bogen
vor der Habgier des französischen Königs schützen würde. Er wäre vom König belobigt und ausgezeichnet worden, und sein Vater hätte über die seinem jüngeren Sohn zuteil werdenden Ehrungen nicht einfach hinwegsehen können.
Alles, was er sich wünschte, war in Reichweite. Er musste nur Mallorys Vertrauen so herzlos missbrauchen wie ihr Vater.
kapitel 14
S eit zwei Stunden durchmaß Mallory ihr Gemach von einer Seite zur anderen. Auch Rubys Vorschlag, sie solle sich setzen und an ihrem Projekt weiterarbeiten, »an Eurem sonderbaren Kästchen mit den Stöckchen«, wie die Dienerin es nannte, war vergeblich gewesen. Mallory hatte versucht still zu sitzen, war aber sofort wieder aufgesprungen, nicht imstande, sich ruhig zu verhalten, während sie auf Saxon wartete, der wie versprochen kommen sollte, sobald er den Comte Lady Elita vorgestellt hatte.
Wie lange konnte das nur dauern? Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass dem Comte von der Lady, die ihre Jagd auf Saxon nicht aufgeben wollte, womöglich eine kühle Begrüßung zuteil geworden war. Wenn der Comte gegangen war und Saxon bei Lady Elita geblieben war und …
Nein, daran wollte sie nicht denken!
»Ungeduld bringt ihn keine Minute eher zu Euch«, sagte Ruby, als sie den Deckel der Truhe am Fußende des Bettes anhob. Der Duft getrockneter Kräuter stieg daraus auf.
»Was kann ihn aufhalten?«
»Ich sagte schon, dass er immer sehr beschäftigt ist, was Frauen betrifft.«
Mallory hielt mitten im Schritt inne und sah Ruby an, die eine Decke in der Truhe verstaute. »Ruby, du sollst nicht so von ihm sprechen.«
»Das war nicht als Beleidigung gemeint, Mylady.« Sie senkte den Deckel und ging zu einem Stuhl am Fenster, wo das Licht des Mondes die grauen Steine aufhellte. »Er ist ein männlicher, gut aussehender Mann, und Frauen schätzen solche Männer, die wiederum Frauen sehr schätzen.«
»Er mag ihre Bewunderung schätzen, das heißt aber nicht, dass er jedes Mal darauf reagiert.« Sie dachte daran, wie er sie mit zärtlicher Geduld und einer Zurückhaltung umworben hatte, wie ihr Vater sie bei Frauen nie gezeigt hatte. Sollte sie zu hoffen wagen, dass Saxon anders war, dass er aufrichtig sein konnte, wenn er sagte, dass er sie begehrte, obwohl er ihr nicht versprechen konnte, es würde ewig währen? Ihr Vater hatte allen seinen Frauen ewige Treue geschworen. Das wusste sie, da sie es oft gehört hatte, wenn er darauf bestand, seine Tochter solle seine neueste ›Auserwählte‹ kennen lernen.
»Mylady, meine Besorgnis gilt allein Euch, da Ihr die Liebesspiele, wie sie hier praktiziert werden, nicht kennt. Ich möchte nicht, dass Ihr gekränkt werdet. Als Ihr sagtet, er wäre mit Lady Elita zusammen im Garten, wollte ich Euch sagen, was dies bedeuten kann.«
»Es bedeutet«, sagte Saxon vom Eingang her, »dass ich aufgehalten wurde, als ich ihr den Comte vorstellte, genau wie ich es voraussagte.«
Ruby lief so rot an, dass sie ihrem Namen alle Ehre machte. Mallory klopfte der Dienerin auf die Schulter, ehe sie nickte, als Ruby sich entschuldigte und in ihr Gemach ging.
Mallory schloss die Tür hinter ihrer Zofe und ging wieder dorthin, wo sie gestanden hatte. Saxon hatte sich nicht von der Stelle gerührt, und sie fragte sich unwillkürlich, was er gehört haben mochte. Ihre plötzliche Scheu, ihn zu fragen, erschreckte sie, doch ermahnte sie sich, dass sie ihn zu sich gebeten hatte, um mit ihm über den Pfeil und den unbekannten Bogenschützen zu sprechen.
»Saxon, wir müssen reden«, sagte sie, wobei sie hoffte, ihre Stimme würde den in ihr tobenden Sturm nicht verraten.
»Ja.« Sein Blick blieb an dem ungespannten Bogen hängen, den sie neben dem Fenster gelassen hatte.
Sie ging hin und zog den Köcher dahinter hervor. Während sie den Pfeil mit den blauen, gelben und roten Haltefäden der Befiederung herauszog, sagte sie: »Die Farben sind jene des Comte du Fresne.«
»Ja.«
Trotz ihrer Verwunderung über seine knappe Antwort berichtete sie ihm von dem Pfeil, dessen Flugbahn mit jener ihres Pfeils übereinstimmte, während sie Fleurette d’Ambroise Unterricht erteilte.
»Warum kümmert Euch, wer ihn abschoss?«, fragte er, als sie ihre vermeintlich erstaunliche Geschichte beendet hatte.
»Der Schütze war sehr geschickt, und ich möchte sicher sein, dass weder der Comte noch einer seiner Begleiter zwei Pfeile auf die Königin abschossen.«
Er nahm den Pfeil und warf ihn nach einem Blick darauf auf den Tisch. »Es war nicht
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