Die Lady mit dem Bogen
nicht ködern lassen.
Köder! Er musste Malcoeur eine Falle stellen, um in Erfahrung zu bringen, was der Dieb wusste. Es wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen, dass Mallory sich freiwillig als Köder angeboten hatte. Das durfte er nicht zulassen … es sei denn, ihm fiel nichts anderes ein, um den Dieb auf sich aufmerksam zu machen.
»Wenn sie mir vorgestellt werden möchte«, murmelte du Fresne, »dann sollten wir sie nicht warten lassen.« Seine Zunge glitt über die Lippen wie bei einem Hund, der auf einen Happen lauert.
Saxon legte die Hand auf den Arm des Comte. »Es lohnt sich, auf sie zu warten, deshalb beantwortet mir zuerst ein paar Fragen.«
»Euer Vater ist wohlauf, falls Ihr das wissen wollt.«
»Gut zu hören, doch wie wird es um Euer Wohlergehen bestellt sein, wenn der König erfährt, dass Ihr Euren Treueid gebrochen habt und nach Poitiers gekommen seid?«
Du Fresnes Blick, der von Elita zu Saxon und rasch weiterglitt, verriet Saxon, was er wissen musste. Der Comte war nicht gekommen, um der Königin Gefolgschaft zu schwören. Er war aus einem anderen Grund da. Saxon musste diesen Grund rasch in Erfahrung bringen.
Saxon sah zu Elita, die sich träge durchs Haar strich und ihre Fingerspitzen an ihren Brüsten verweilen ließ, eine unmissverständliche Aufforderung an du Fresne, mehr zu tun, als sie mit Blicken zu verschlingen – für Saxon die ideale Verbündete, die ihn über du Fresnes Pläne informieren konnte. Er brauchte nur herauszufinden, was Elita sich dafür wünschte, dass sie Augen und Ohren offen und den Mund geschlossen hielt.
»Ach, Saxon, mein Bruder! Dachte ich mir’s doch, dass ich dich hier antreffen würde.« Godard trat hinter dem Comte aus dem Eingang. Lady Violet hing mit einer Hand an seinem Arm, während sie sich mit der anderen bei d’Ambroise eingehängt hatte. Godard zog am Comte vorbei seine Verlobte ganz an sich, weg von dem anderen Mann an ihrer Seite. »Du sollst wissen, dass alles arrangiert ist. Mit gnädiger Erlaubnis der Königin dürfen wir morgen heiraten.«
»Das hört man gern.« Saxon lächelte seinem Bruder und Lady Violet zu, konnte aber nicht umhin, einen Blick auf d’Ambroise zu riskieren, der ein gezwungenes Lächeln zur Schau trug. Da Gerüchten zufolge d’Ambroise die Dame selbst zur Frau gewollt hätte, war es eine Überraschung, ihn mit dem jungen Paar zu sehen.
»Du wirst doch zur Trauung kommen?«, fragte Godard.
»Gewiss doch. Das lasse ich mir nicht entgehen.
»Nanu, sieh einer an!«, murmelte der Comte, wobei seine Stimme den raubtierhaften Ton annahm, den Elita bei seinem Anblick hatte hören lassen.
Saxon beobachtete, wie Mallory auf sie zukam. Ihr ebenholzschwarzes Haar war mit weißen Seidenbändern durchflochten. Sie passten farblich zu den Ärmeln ihres Unterkleides, die unter den lang herunterhängenden Ärmeln ihres tiefroten Gewandes sichtbar waren. Jede Bewegung hätte nach musikalischer Untermalung verlangt, da sie wie ein Teil eines Verführungstanzes wirkte. Dass sie sich ihrer Wirkung auf Männer nicht bewusst zu sein schien, erhöhte nur ihren Reiz. Auch nicht ihr Bogen und die Pfeile in dem Köcher über ihrer Schulter oder der Hund, der ihr folgte, konnten von den Phantasiebildern ablenken, die sie im Kopf eines Mannes wachrief.
Lächelnd reichte er ihr die Hand, die sie ergriff. Sein Lächeln wurde unsicher, als er das Beben in ihren Fingerspitzen spürte. Was brachte sie aus der Fassung? Sie hatte sich Jacques Malcoeur und dem Unbekannten in Rüstung, ohne zu zögern, gestellt. Nun aber zitterte sie. Durfte er zu hoffen wagen, dass er es war, der diese Wirkung auf sie ausübte? Seit er sie in den Armen gehalten hatte und von Godard gestört worden war, hatte er sich immer wieder vorgestellt, sie an sich zu drücken. In den Nächten hätte er von ihr träumen können, hätte ihm sein Verlangen nach ihr nicht den Schlaf geraubt, selbst wenn er daran dachte, wie sie ihn verachten würde, wenn sie die Wahrheit entdeckte, die er vor ihr verbarg.
Godard rief überschwänglich aus: »Ach, Lady Mallory, wie hatte ich gehofft, Euch zu sehen! Ihr müsst morgen unbedingt unserer Trauung beiwohnen. Lady Violet berichtete mir, wie viel sie in Euren kleinen Damentrainingsstunden lernte.«
»Es freut mich, dass sie der Meinung ist, der Unterricht hätte sich gelohnt«, gab Mallory zurück.
Saxon kannte diesen gleichmütigen Ton an ihr und wusste, dass sie wütend war, weil sein Bruder sich derart geringschätzig über das
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