Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Königin lächelte Richard zu und sagte: »Lieber Sohn, geh zu unseren Gefolgsleuten in die Halle.«
Widerspruch blitzte in seinen Augen auf, doch er nickte und nahm sich noch ein Stück Brot, ehe er ging.
»Richard muss nicht hören, was ich zu sagen habe«, erklärte die Königin, als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte. »Er ist nur ein Junge und vergisst zuweilen, seine Worte abzuwägen. Hoffentlich lernt er, verschwiegen zu sein, bis aus ihm ein Mann wie mein Patensohn Christian Lovell geworden ist.« Avisa mit ihrem kühlen Blick fixierend, fuhr sie fort: »Ich bin gekommen, Eure Hilfe zum Schutz meines Patensohnes in Anspruch zu nehmen.«
»Ich soll ihn schützen?«
Die Äbtissin sah sie stirnrunzelnd an, und Avisa verschluckte die nächste Frage. Das alles ergab keinen Sinn. Gewiss, sie hatte in der Abtei ritterliche Kampfkunst erlernt, aber wie sollte sie diesen Mann beschützen? Und warum konnte er das nicht selbst tun?
»Christian ist mir so teuer wie meine eigenen Söhne.« Die Königin strich mit dem Finger am Rand des Pokals entlang. »Ich möchte nicht, dass er in die Vorgänge verwickelt wird, die in Canterbury unweigerlich bevorstehen.« Ihre Hand hebend setzte sie hinzu: »Sprecht die Zweifel nicht aus, die ich in Euren Augen lese, Lady Avisa. Ich weiß, dass ich wenig preisgebe, doch heute werde ich Euch keine weitere Antwort geben. Ich bin nicht gekommen, um das Vorgehen meines Gemahls zu erklären oder zu rechtfertigen. Ich kam, um jemanden zu finden, der meinen Patensohn von Canterbury fernhält.« Die Königin sah sie abschätzend an und nickte dann. »Es heißt, dass mein Patensohn eine Schwäche für hübsche blonde Damen hat. Ihr seid hübsch, blond und wisst das Schwert zu handhaben. Ihr seid genau die Richtige.«
»Ich werde trachten zu tun, was Ihr wünscht.«
Die Königin stellte den Pokal hin und erhob sich. »Nur weil ich in Sorge um meinen Patensohn bin, dürft Ihr ihn nicht für schwach halten. Er ist sehr wohl imstande, Befehle meines Gemahls auszuführen, doch ich möchte das Blut des Gottesdieners nicht an Christians Händen sehen.«
Die Äbtissin atmete scharf ein, presste jedoch die Lippen zusammen, als der Blick der Königin sie traf.
»Ich verstehe«, sagte Avisa, erstaunt, dass es der Fall war. Trotz der klösterlichen Abgeschiedenheit, in der sie lebte, wusste sie um weltliche Dinge, da die Äbtissin oft mit ihr die Sorgen besprach, die die Welt außerhalb der Klostermauern beschäftigten. Die Feindschaft zwischen Erzbischof und König währte schon lange.
»Dann übernehmt die Aufgabe, Christian Lovell bis zur Rückkehr des Königs nach England von Canterbury fernzuhalten.«
»Ich kann ihn hierherbringen …«
»Hierher?« Königin Eleanor lachte. »Ihr missversteht meinen Befehl, Lady Avisa. Ihr sollt ihn von Canterbury fernhalten und zugleich darauf achten, dass Eure Verbindung zu St. Jude’s Abbey nicht offenbar wird. Die Abtei würde für mich an Wert verlieren, würde ruchbar, was meine wahre Absicht bei deren Gründung war – die Ausbildung junger Mädchen, um mich in Zeiten der Gefahr zu schützen.«
Avisa schaute die Äbtissin an, die mit sanftem Lächeln nickte. Die Worte der Königin ergaben einen Sinn. Avisa hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, warum sie in der Kriegskunst unterwiesen wurde. Sie war hier aufgewachsen, das Leben war ihr normal erschienen – bis jetzt.
»Ist anderen der wahre Zweck der Abtei bekannt?«, fragte sie im Flüsterton.
»Nur der Äbtissin und jetzt Euch.« Die Königin zog eine Braue hoch, als sie die Äbtissin anblickte. »Ihr müsst einen Vorwand erfinden, unter dem Lady Avisa die Abtei verlässt, eine Rechtfertigung, die keinen Argwohn in den Herzen jener weckt, die zurückbleiben, und keine Fragen bei ihrer Rückkehr zulässt.«
Wieder nickte die Äbtissin.
»Christian reist von den Ländereien seines Vaters aus westwärts. Sein Begleiter ist Guy Lovell, sein Bruder, dem Christians ernstes Wesen fremd ist. Außerdem begleitet ihn ein Page, ein Junge, so rothaarig wie mein Richard. Ich rate Euch, eine Begegnung mit Christian herbeizuführen und ihn zu überreden, er solle Canterbury meiden.« Sie zog unter ihrem Cape eine zusammengerollte, beschriebene Seite hervor. »Hier sind die Informationen, die Ihr benötigt, um ihn aufzuhalten.«
Avisa nahm sie in Empfang, krampfhaft bemüht, ihre zitternden Finger ruhig zu halten. Sie sollte die Abtei verlassen, zum ersten Mal, nachdem sie als kleines Kind
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