Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Sommeville, der mir versicherte, dass du und deine Schwester willkommen seid und bleiben könnt.«
»Und du?«
»Ich gehe bis zu Baldwins Genesung nirgendwohin.«
Sie atmete erleichtert auf.
»Du kannst also bei Sommeville bleiben«, fuhr er fort, »bis du dir über deine nächsten Pläne im Klaren bist.«
»Meine nächsten Pläne?«
Er furchte die Stirn. »In dein Vaterhaus kannst du nicht zurück, solange Lord Wain of Moorburgh über eure Ländereien herrscht. Er würde nur erreichen, was er von Anfang an erhoffte.«
»Du scheinst dessen sicher zu sein.«
»Du magst noch so gut kämpfen, Avisa, aber mit einer ganzen Schar von Kriegern kannst du es nicht aufnehmen.«
Sie lachte verächtlich schnaubend, ohne Rücksicht darauf, dass es wenig damenhaft war. »Denkst du so gering von mir, dass du glaubst, ich würde etwas so Absurdes tun?«
»Nein, ich habe eine hohe Meinung von dir und deinen Fähigkeiten. Sag mir jetzt, was passiert ist, Avisa.«
»Lord de Sommeville rief mir zu, dass meine Schwester …«
»Nicht unten, Avisa, sondern hier.« Er deutete auf den Boden neben dem Fenster. »Dort fand ich meinen Bruder bewusstlos auf. Als ich ihn endlich aufrichten konnte, murmelte er deinen Namen.«
»Du hättest nach einer Frau schicken sollen. Einer Frau wäre es leichter gefallen, ihn aufzurichten.«
Er setzte sich auf die Tischkante. »Besonders dir.«
»Wenn du glaubst, ich hätte ihn betört, irrst du dich.«
»Das glaube ich nicht.« Er lächelte und verschränkte ihre Finger mit seinen. »Du hast nichts getan, um ihn zu ermutigen, doch ich bitte dich, sanfter mit ihm umzuspringen, wenn er so dumm ist, wieder einen Annäherungsversuch zu wagen.«
»Es war doch nichts gebrochen?«
Er lachte. »Nein, aber nur, weil du vermutlich darauf geachtet hast, ihm nur eine kleine Lehre zu erteilen.« Er zog sie an sich. »Avisa, versprich, dass du sanft zu meinem Bruder sein wirst.«
»Wenn er mich in Frieden lässt.«
»Das wird er. Er hat seine Lektion gelernt.« Er strich über ihren Rücken. »Ich aber nicht.«
Sie fasste nach seinem Übergewand und flüsterte: »Das freut mich.« Als sie ihren Mund auf seinen drückte, war sein Bruder vergessen. Ihre Lügen waren vergessen. Nur ein Gedanke blieb, der sich durch ihre Lust wand. Sie würde alles tun, damit dieser Mann am Leben blieb.
Alles.
18
»Quer.« Avisa schwang das Schwert parallel zum Boden und traf Ermangardines Klinge. »Ein Schwert ist kein Dolch. Man muss die Länge der Klinge als Verlängerung des Armes sehen, eines Armes, der sich nicht abbiegen lässt.«
Das Mädchen nickte und hob ihr Schwert. Sie passte sich Avisas Bewegungen in dem merkwürdigen Tanz an, dessen Musik das Klirren von Stahl war. Rundherum, so ging es, ohne einander aus den Augen zu lassen, während die Schwerter Funken sprühen ließen.
Zum ersten Mal in den fünf Tagen, seit Mavise und das Mädchen auf de Sommevilles Burg eingetroffen waren, hatte Avisa keine Angst, beim Training beobachtet zu werden. In der Burg schlief noch alles. Bis Weihnachten waren es noch zwei Tage, doch die Festlichkeiten hatten bereits begonnen. Am Abend zuvor war das Bier fässerweise geflossen. Als sie und Ermangardine durch die Halle gegangen waren, hatten mindestens zwanzig Leute noch dort geschlafen, wo sie in ihrem Suff hingesunken waren.
Dazu kam, dass sie in einem Hof hinter der Waffenkammer übten, wo das Klirren von Stahl nicht ungewöhnlich war. Der Hof war bei Sonnenaufgang verlassen.
»Gut … sehr gut …« Avisa attackierte nicht, als ihre Gegnerin eine Öffnung in der Deckung zuließ. Später würde sie dem Mädchen zeigen, wo sie sich eine Blöße gegeben hatte.
Ermangardine hatte ihre Übungsstunden mit Avisa bereitwillig wieder aufgenommen, und Avisa war froh, eine Partnerin zu haben, wenn auch das Können des Mädchens keine Herausforderung darstellte. Als sie ihr Schwert senkte und Ermangardine bedeutete, dasselbe zu tun, sah sie, dass das Mädchen sich Schweißperlen von der Stirn wischte. Die Morgenluft war so kalt, dass das Wasser in den Bottichen beim Stall gefror, doch das Training war sehr anstrengend.
»War ich schon besser?« Ermangardine lechzte förmlich nach Lob.
Avisa lächelte dem Mädchen zu, das an seinem knielangen Bauernkittel zerrte, ein Kleidungsstück, mit dem sich die an bodenlange Kleider gewöhnten Novizinnen zunächst nur schwer anfreundeten. Erst wenn sie den Umgang mit dem Schwert gelernt hatten, trainierten sie wie Avisa in
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