Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Christian Liebe zu machen. Schreckte sie davor zurück, weil sie glaubte, ihre Mitschwestern würden sie wegen ihrer Schwäche schelten, oder weil sie befürchtete, sie würden sie verraten?
»Du bewunderst Sir Christian sehr«, sagte Mavise, die ihre Arme auf dem Tisch vor sich verschränkte. »Das verrät dein Lächeln, wenn du seinen Namen nennst.«
»Er ist bewundernswert.«
»Es ist gut, dass er deine erfundene Geschichte glaubte.« Mavise senkte die Stimme. »Die Lage in Canterbury wird zunehmend gespannter.«
»Was ist geschehen?«
»Der Erzbischof zog in die Kathedrale ein, doch munkelt man, dass er alle Gläubigen exkommunizieren will, die für den König eintreten. Es gibt sogar Gerüchte, dass er die Absicht hat, den König zu exkommunizieren.«
Avisa flüsterte ein rasches Gebet. Wenn diese Gerüchte, ob wahr oder unwahr, dem König jenseits des Kanals zu Ohren kämen, könnte Henry sein berüchtigtes Temperament vielleicht nicht zügeln und ließe sich verleiten, etwas zu tun, was England spalten konnte. Dann könnte keine von Avisa noch so gut erfundene Geschichte Christian davon abhalten, sein Schicksal an das des Königs zu knüpfen.
»Ist er das?«, fragte Mavise.
Avisa wandte sich auf der Bank um. Obwohl fünfzehn Fuß oder mehr von dem Mauerbogen entfernt, unter dem Christian stand, konnte sie sein Gesicht so deutlich sehen, als läge sie in seinen Armen. Er war so sehr Teil ihres Lebens geworden, dass er Teil ihrer Gedanken im Wachen oder Schlafen war.
Spürte er ihren Blick? Sie war dessen nicht sicher, doch er setzte sich in Bewegung und kam auf sie zu.
»Ist er das?«, fragte Mavise, wieder nach Avisas Arm fassend.
»Ja.«
»Du hast nicht gesagt, dass er so … so …« Sie kicherte, als wäre sie in Ermangardines Alter.
Avisa nickte. Christian war so … alles. So stark, so hübsch, so darauf aus, seinen Mut zu beweisen, so arrogant, so beunruhigend, so … ach, einfach alles. Und so tief in ihrem Herzen, wie sie erkannte, während sie sah, wie er leichten Schrittes den unebenen Steinboden querte. Wann hatte er ihren Entschluss untergraben, sich ganz ihrer Aufgabe zu widmen? In dem Moment der ersten Begegnung? Beim ersten Kuss? Als sie wegen ihres Schwertes hitzig aneinandergeraten waren? Es hätte jeder dieser Augenblicke oder auch ein ganz anderer sein können. Sie wusste es nicht mehr.
»Er kommt auf uns zu.« Ermangardine schien der Panik nahe.
»Tief durchatmen.« Avisa wollte die beiden noch ermahnen, auf ihre Reaktionen zu achten, wenn sie mit Christian sprachen, doch er war bereits in Hörweite, so dass sie sich mit einem warnenden Stirnrunzeln in ihre Richtung begnügen musste.
»Wie ich höre, hast du allerbeste Kunde, Avisa«, sagte er mit einem Lächeln, breiter als jedes, das sie bislang an ihm gesehen hatte.
»Die allerbeste.« Sie stand auf und bedeutete Mavise, ihrem Beispiel zu folgen. »Meine Schwester und ihre Dienerin.«
»Mylady …« Als er sich über die Hand der errötenden Mavise beugte, ließ Ermangardine wieder ein Kichern hören.
»Liebe Schwester«, sagte Avisa mit einem Lächeln, »gestatte, dass ich dir Sir Christian Lovell, Ritter im Dienste König Henrys, vorstelle.«
»Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen«, brachte Mavise erstickt heraus. Sie räusperte sich, um dann in normalerem Ton fortzufahren: »Avisa berichtete uns, Ihr hättet versprochen, bei meiner Rettung mitzuwirken. Unsere Familie wird Euch stets Dank dafür wissen, Sir Christian.«
»Ich stehe in Eurer Schuld.« Er neigte wieder den Kopf. »Wenn Ihr Avisa und mich entschuldigen wollt – ich muss etwas mit ihr besprechen.«
Mavise sah Avisa an, ehe sie sagte: »Aber gewiss. Ich muss mich bei Lord de Sommeville für seine Gastlichkeit bedanken, eine Geste der Höflichkeit, die ich über der Freude des Wiedersehens mit meiner Schwester vergaß. Kommt rasch wieder zu uns, damit wir uns gegenseitig von unseren Abenteuern berichten können.«
Als Christian ihr die Hand reichte, ergriff Avisa sie. Sie bedachte ihre Schwestern mit einem aufmunternden Lächeln, ehe sie mit ihm die Halle durchschritt. Er gab keine Antwort, als sie fragte, was er wolle. Stattdessen führte er sie die Treppe zu ihren gemeinsamen Gemächern hinauf. Er betrat den Mittelraum und schloss die Tür. Dann ging er zu der Tür von Baldwins Gemach und schloss auch diese.
»Du musst sehr erleichtert sein, Avisa«, sagte er mit einer Miene, so verschlossen wie die Fensterbalken. »Ich sprach mit de
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