Die Lady mit der Feder - Roman
großen Stein, auf den etwas gemalt war, das wie eine Kuh aussah. Er stellte die Kassette auf einen Stein, dann stand er auf und machte Platz.
Sie zog den Schlüssel hervor, den die Äbtissin ihr gegeben hatte. Mit zitternden Fingern führte sie ihn in das Schloss ein. Als er seine Hand auf ihre legte, um sie zu beruhigen,
lächelte sie. Der Schlüssel glitt hinein und ließ sich mit einem Klicken drehen.
Sie öffnete den Deckel und starrte die beschriebenen Seiten in der Kassette an. Sie griff nach der obersten und überflog sie, während er ihr über die Schulter schaute. Nach einem tiefen Atemzug tat sie die Seite wieder in die Kassette.
»Kein Wunder, dass die Königin verhindern möchte, dass diese Schriftstücke ihrem Gemahl in die Hände fallen«, sagte sie, klappte den Deckel zu und schloss den Behälter ab. »Richard würde von der Kirche und den Baronen für die hier angeführten Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Plünderung einer heiligen Stätte, die sich sein Bruder zuschulden kommen ließ, ist im Vergleich zu Richards Untaten ein geringfügiges Vergehen.«
Sie warf einen Blick auf das Loch. »Dienen wir England, wenn wir diese Seiten der Königin übergeben und somit zulassen, dass Richard seinem Vater auf dem Thron nachfolgt?«
»Du hast nicht gelobt, England zu dienen, du hast aber gelobt, so zu handeln, wie es die Königin verlangt, um einen neuen Bürgerkrieg zu vermeiden. Was Richard als Prinz tat, mag sich sehr von dem unterscheiden, was er tut, wenn er erst die Krone trägt.«
»Hoffentlich behältst du Recht.«
»Das hoffe ich auch.« Er griff nach der Kassette. »Wenn wir jetzt nach St. Jude’s Abbey aufbrechen, werden Stunden vergehen, bis jemand uns vermisst. Meine Tante wird wissen, wo die Königin sich aufhält, so dass du Eleanor die Kassette persönlich übergeben kannst.« Er lächelte. »Ich meine wir. Ich habe meinen Eid nicht vergessen.«
»Das bezweifelte ich keinen Moment.« Hand in Hand kämpften sie sich aus der zerstörten Kathedrale ins Freie. Vor ihnen lag ein langer Weg, doch mussten sie die Königin unbedingt erreichen, ehe Vater und Sohn von Angesicht zu Angesicht aufeinandertrafen, andernfalls ganz England so verwüstet werden würde wie die Kathedrale von Lincoln.
Isabella saß auf einem Stein am Straßenrand und drehte ihre Stiefeletten um. Ein Steinchen fiel in den Straßenstaub. Sie lächelte Jordan zu und sah voller Bewunderung, wie sein Haar in der Sonne blauschwarz glänzte. »Es fühlte sich viel größer an, als ich darauf trat.«
»Das lässt sich denken.« Er streichelte ihr Bein mit derselben leichten, sinnlichen Liebkosung, mit der er sie in der Nacht zuvor beglückt hatte, als sie Obdach in einem Stall gefunden hatten.
Ihre Finger strichen über seine Wangen, bevor sie sein Gesicht heranzog und seinen Mund mit ihren Lippen berührte. Mit geschlossenen Augen kostete sie die glühende Berührung aus, die auf ihren Lippen brannte, um das Verlangen in ihr neu zu entfachen. Nicht in ihren süßesten Träumen hatte sie sich vorstellen können, sich dermaßen nach der Berührung eines Mannes zu verzehren. Sie sehnte sich danach, dass seine starken Hände unter ihre Kleider glitten und ihre Haut mit ihren leidenschaftlichen Liebkosungen versengten.
Er half ihr auf ihren Schimmelhengst und schwang sich dann auf sein eigenes Pferd. »Sie ist noch immer an deinem Sattel befestigt, noch immer in deinem Sack versteckt.«
»Ich fragte nicht nach der Kassette.«
»Diesmal nicht.«
Sie lachte leise, als sie weiter hügelab ritten und dabei ein stetiges Tempo beibehielten, um die Pferde nicht zu ermüden, da sie am Tag darauf weiterreiten wollten. Es war ein Maitag, entlang des Weges stand alles in Blüte.
»Machen sich die Schwestern in der Abtei nicht den Maientau zunutze?«, fragte Jordan, als hätte sie ihre Gedanken laut ausgesprochen. »Du warst heute bei Sonnenaufgang nicht auf den Beinen, um Tau zu sammeln, damit dein Gesicht schön glatt wird.«
»Habe ich es nötig?«
Er lachte. »Logisch wie immer.«
Sie drehte sich um und blickte über die Schulter, als sie eiligen Hufschlag vernahm. Ihre Hand fuhr zur Peitsche, als sich eine Staubwolke am Hügelkamm zeigte. Sie hörte, dass Jordan sein Pferd durch Zuruf anfeuerte, und schlug mit der flachen Hand auf ihren Hengst ein, der nun in gestrecktem Galopp dahinsprengte. Tief über den Pferdehals gebeugt, trieb sie ihn noch heftiger an.
Ein Blick zurück, und ihr stockte der Atem.
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