Die Lady mit der Feder - Roman
Lippen, um Vater Elois Worte nachzusprechen. Sie trug ihr verschmutztes Gewand. Beide hatten sie sich nicht umkleiden können, da der Priester darauf bestand, die Messe ohne Verzug zu lesen, nachdem er von der Ankunft Weirtons erfahren hatte. Auch in dem vor Schlamm starrenden und zerrissenen Kleid beanspruchte sie seine Aufmerksamkeit. Nein, beanspruchen war das falsche Wort. Niemals war sie auf Bewunderung
aus. Auch in dieser Hinsicht unterschied sie sich von anderen Frauen.
Er wusste um die Gefahr, wenn er zuließ, dass sein Blick zu lange an ihr hing. Herrgott, als er sie beinahe in Besitz genommen hatte, hatte er so ehrlos gehandelt wie der namenlose Dieb. Um ihn zu retten, hatte sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt, und er hatte sie wie ein Freudenmädchen behandelt.
Freudenmädchen. Er hatte nicht geahnt, dass so viel Leidenschaft in ihr schlummerte, ehe er sie geküsst hatte. Er hätte es wissen müssen, da er selbst seit seiner Rückkehr aus Aquitanien seine Gefühle vor allen verbarg.
Eine tiefere Stimme, die die Gebete nachsprach, ließ ihn nach links blicken, wo Weirton und Lady Odette standen. Auch der Reisestaub konnte nicht von Lady Odettes ätherischer Schönheit ablenken.
Weirton hatte ihm zu verstehen gegeben, dass seine Schwester großen Wert darauf gelegt hatte, mit ihm zusammenzutreffen. Nur Jordans Hinweis, dass der Anlass ihres Kommens eine Beerdigung war, hatte Weirton davon abgehalten, unverblümt vorzuschlagen, Jordan solle eine Ehe mit Lady Odette in Betracht ziehen. Nach der Messe würde Weirton sicher wieder auf das Thema zu sprechen kommen.
Als der Priester seine Gebete beendet hatte und sich zum Segen umdrehte, sah Jordan zum Sarg seines Freundes hin. Gleich würden die Trauergäste zum offenen Grab schreiten, wo der Sarg in die Erde gesenkt werden sollte. Nach weiteren Gebeten würde alles vorbei sein. Wieder war ein Menschenleben der absurden Jagd nach Ruhm und weiblicher Gunst zum Opfer gefallen.
So dumm würde er nicht sein. Das hatte er sich an dem Tag
geschworen, an dem er von Ryces Tod erfuhr, und er hatte die Absicht, seinen Schwur zu halten. Er wollte sein Isabella gegebenes Versprechen erfüllen und sodann nach La Tour zurückkehren, wo er sich auf die an der Burg notwendigen Reparaturen zu konzentrieren gedachte, ehe er sich mit einer Ehefrau belastete, bei deren Wahl er mit großer Vorsicht vorgehen wollte. Er würde nicht sein Leben wegwerfen, um eine Frau zu gewinnen, die sich beeilte, in das Bett eines anderen Mannes zu kommen, ohne eine Träne an seinem Grab zu vergießen.
Wieder ein Schwur. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Er musste mit diesen Versprechungen aufhören.
»Alles in Ordnung?«, fragte Isabella leise flüsternd.
»Ja.«
»Das freut mich zu hören.«
Die Kälte, die ihn seit Monaten umgab, verging unter dieser sanften Güte ein wenig. Er hatte keine Zeit für eine Antwort, als er sich zu den anderen gesellte, die dem Sarg auf den Kirchhof folgten. Er sah, dass sie Lady Odettes Arm nahm und sie und Weirton so rasch weiterdrängte, dass die beiden keine Möglichkeit hatten, mit ihm zu sprechen. Er war dankbar, dass sie sein Verlangen nach Einsamkeit erahnte.
Am offenen Grab sprach Vater Eloi nur wenige Worte. Als der Geistliche vom Rand des Grabes zurücktrat, umfasste er wortlos Jordans Arm, ehe er zur Kirche und seinen anderen Pflichten zurückeilte.
In der Stille, die dem Weggang des Priesters folgte, sagte Isabella: »Lady Odette, sicher würdet Ihr nach der langen Reise von Kenwick Castle her gern ein wenig ruhen. Lord Weirton, ich weiß, dass Ihr noch etwas von Lord Courtenays Bier kosten wollt.«
»Ihr kennt viele Wege, auf Menschen Eurer Umgebung heilsam einzuwirken«, sagte Weirton. »Ihr habt Eure Lektion in St. Jude’s Abbey gut gelernt.«
Isabella wurde aschfahl, vor Schreck, wie Jordan wusste, da der Baron entdeckt hatte, wo sie ausgebildet worden war. Für Jordan war es keine Überraschung. Weirton war ein kluger Kopf, der gern alles über seine Umgebung in Erfahrung brachte. Warum war sie so erschüttert? Jordan gegenüber hatte sie sehr bald erwähnt, dass sie in der Abtei seiner Tante studiert hatte.
Ihr Lächeln zeigte sich rasch wieder, und er fragte sich, ob er sich geirrt hatte. An einem Grab zu stehen genügte, um jemanden erbleichen zu lassen.
»Es gibt viele Arten der Heilung«, gab sie zurück. »Jeder Mensch ist anders.«
»Wie schon gesagt, Mylady, Ihr habt Eure Lektionen gut gelernt.« Weirton und seine
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