Die Lady mit der Feder - Roman
eine Frau, und wie kann er um eine Frau werben, wenn er nie da ist?« Lews Miene erhellte sich ein wenig. »Aber dieses Problem scheint gelöst.«
»Warum sagt Ihr das?« Sie hatte nicht gesehen, dass jemand in ihr Gemach gelugt hatte, als Jordan sie mit seinen heißen Küssen erregt hatte. Jordans Erscheinen in der Tür zugleich mit seinem Diener hätte Lew zeigen müssen, dass sie mit dem Dieb allein gewesen war.
»Ist das nicht offenkundig?« Lew lachte leise auf. »Lady Odette. Aus welchem anderen Grund sollte Lord Weirton sie nach La Tour bringen?« Er rappelte sich auf. »Ich sollte Euch nicht länger mit meinem Gerede aufhalten, Mylady, da ich Euch suchte, um zu melden, dass das Abendessen fertig ist.«
Isabella war erleichtert, dass sie nun einen Vorwand hatte zu gehen, ehe der Steward ihre Reaktion bemerkte. Er bestätigte, was sie sich selbst schon gedacht hatte, doch von Lew
laut zu hören, dass der Baron und seine Schwester mit Hintergedanken gekommen waren, machte die Situation allzu real. Ob Jordan es argwöhnte? Er war ein hellsichtiger Mann, dem Lord Weirtons Pläne nicht verborgen bleiben konnten. Vielleicht war der bevorstehende Besuch der Grund, warum Jordan sich letzte Nacht ihren Armen entzogen hatte.
Lord Weirton! Wie hatte er erfahren, dass sie ihre Kenntnisse in St. Jude’s Abbey erworben hatte? Wie schon an Ryces Grab ermahnte sie sich, nicht in Panik zu geraten. Eine beiläufige Bemerkung von Jordan oder von ihr selbst, obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, mochte die Wahrheit enthüllt haben. Lord Weirton würde gewiss annehmen, sie hätte als Laienschwester in der Abtei studiert.
Als sie durch das Torhaus und die Stufen hinauf zum Turm eilte, konnte sie ihren Gedanken nicht entkommen, die in diese Richtung gingen und wie ein Blatt inmitten von Steinen in einem Bach hüpften. Sie musste einen Weg finden, wieder zu ihrer Haltung zu finden, ehe sie sich beim Abendessen zu den anderen gesellte.
Sie warf einen Blick in die große Halle. Ein paar Bediente machten sich gemächlich zu schaffen, an der Hochtafel aber, die ein mit Gold- und Silberfäden kunstvoll besticktes Tuch deckte, saß niemand. Wenn sie die Halle durchquerte, konnte sie Jordans Gemach erreichen und sich rasch umziehen.
Die Diener starrten sie erstaunt an, als sie eintrat. Vermutlich sah sie noch schlimmer aus, als sie es sich vorstellte. Erleichtert, dass es keine polierte Fläche gab, die ihr Spiegelbild zeigte, eilte sie durch die Halle.
Plötzlich erfüllte Gesumm wie von einem aufgeregten Bienenschwarm die Halle. Als alle Diener nach rechts blickten,
tat Isabella es ihnen gleich. Eingerahmt von einer Bogentür, standen Jordan und Lord Weirton mit seiner Schwester da, deren zartes, engelhaftes Gesicht auffallend mit ihren wilden roten Locken kontrastierte. Für den Baron und Lady Odette hatte Isabella nur einen Blick übrig, ehe sie Jordan anschaute, als sie langsam in die Mitte der Halle trat.
Seine Tunika war von etwas hellerem Rot als das Haar der Lady, die Ärmel zeigten an den Rändern das gleiche Muster in Gold und Silber wie das Tafeltuch. Der Griff seines Schwertes schimmerte, wo er an seinem Ledergürtel hing, der seinen kampfgestählten Leib umschloss. Stiefel umspannten seine Unterschenkel und enthüllten eine Kraft, von der sie wusste, dass sie tatsächlich vorhanden war. Noch nie hatte er einem Earl ähnlicher gesehen.
Isabella tat einen Schritt auf die Tür zu und blieb dann stehen. Sie sah, wie Lady Odette sich auf die Zehenspitzen stellte und Jordan etwas zuflüsterte, ehe sie seinen Arm nahm und sich ihm in Erwartung seiner Antwort zuneigte.
Isabella spürte einen Stich. So stark, dass sie fast an sich hinuntergeblickt hätte. Es war nicht nötig, da sie das grässliche, verhasste Gefühl der Zurücksetzung erkannte. Selbst wenn sie das schönste Kleid getragen hätte, das es in der Abtei gab, hätte sie sich nicht mit der Pracht der Gewänder Jordans und der Weirtons messen können.
Sie richtete sich auf und umfasste den Griff ihrer Peitsche, während sie sich sagte, dass sie die Vertreterin der Königin auf La Tour war. Es spielte keine Rolle, wie sie gekleidet war. Es zählte nur, dass sie das tat, was sie gelobt hatte.
Außerdem hätte sie darauf gefasst sein sollen. Die Äbtissin hatte von dem eigentümlichen Werbungsritual gesprochen,
das zwischen Männern und Frauen stattfand, wenn sie eine Heirat ins Auge fassten - zumindest wenn einer sie ins Auge fasste. Davon zu wissen oder
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