Die Lady mit der Feder - Roman
ganze Stolz
seines Vaters gewesen. Tische standen am anderen Ende vor einer erhöhten, nur bei festlichen Gelegenheiten benutzten Tafel. Drei kreisförmige Lüster, jeder mit einem halben Dutzend Kerzen bestückt, hingen von der Decke. Sie brannten nicht, da Sonnenlicht durch schmale Fensteröffnungen nahe der Decke an beiden Enden und durch zwei Fenster auf beiden Längsseiten der Halle einfiel.
Als Jordan durch die Halle schritt, raschelten zu seinen Füßen die Binsen, aus denen ein unangenehmer Geruch aufstieg. Nach der Begrüßung der Gäste wollte er für frische Streu sorgen.
Weirton schritt auf ihn zu und ergriff seinen Arm. »Wie schön, Euch wieder auf La Tour zu sehen, le Courtenay.«
»Ja, es ist schön, daheim sein zu können.«
»Ihr werdet doch nicht wieder so närrisch sein …«
»Närrisch?« Jordan wusste, dass er an Weirtons Worten nicht Anstoß nehmen sollte, und doch tat er es.
»… mit diesem jungen Toren Richard in den Krieg zu ziehen.«
Jordan nickte. Er konnte der Wahrheit nichts entgegenhalten, hatte aber keine Lust, sich über die Vergangenheit zu äu ßern. »Hoffentlich verlief Eure Reise glatt.«
»Mit Odette verläuft keine Reise glatt.«
»Und warum ist das so?« Er hoffte, Ansprüche und Hochmut der Dame würden sich in Grenzen halten.
»Seht selbst.« Er hob seine Stimme. »Odette, so komm doch und begrüße unseren Gastgeber, Jordan le Courtenay.«
Eine Frau trat ins Licht, und Jordan starrte sie an. Er konnte nicht anders.
Hinreißend.
Es gab kein anderes Wort, um ihr gerecht zu werden. Feine Züge und feuerrote Locken machten sie zu einer Frau, die geschaffen war, die Gedanken eines Mannes völlig zu beherrschen. Sie reichte ihm kaum bis zur Schulter, und als sie ihren Umhang aufhakte, um ihn einem Diener zu übergeben, starrte er ihre schmalen Hände an, die so klein waren, dass er beide in einer Handfläche halten konnte. Ihr Busen wölbte sich erstaunlich voll, wenn man ihre schmale Taille bedachte.
»Meine Schwester Lady Odette«, sagte Weirton mit einem Lächeln, das andeutete, ihre Schönheit wäre ihm zu verdanken. Er nahm den Käfig aus Flechtwerk, den sie trug, und stellte ihn auf den Boden.
»Mylady.« Jordan neigte den Kopf, überzeugt, dass Müdigkeit sein Urteilsvermögen trübte, so dass er unwirkliche Vollkommenheit zu sehen glaubte.
»Wir wissen Euer Willkomm zu schätzen, Lord le Courtenay.« Ihre Stimme war leise und deutete an, dass sein Anblick ihr den Atem geraubt hatte.
Die Vorstellung reizte ihn zum Lachen. Er präsentierte sich nicht im Bestzustand und vermutete, dass sie Männer gewöhnt war, die sie mit allen Mitteln zu beeindrucken trachteten, um mit einem Lächeln beschenkt zu werden.
»Kommt«, sagte er, auf einen der Tische in der Nähe deutend, »und spült den Reisestaub in Euren Kehlen hinunter.«
»Zu liebenswürdig, Mylord.« Sie hob die Hand, und er schob seine darunter. Sie rückte näher und lächelte ihm zu, als hätte sie ihr Leben lang auf diesen Moment gewartet.
Ein beunruhigender Gedanke. Ehe er antworten konnte, hörte er, dass Weirton überrascht Luft holte. Er folgte Weirtons Blick und sah Isabella die Halle betreten, ihren Sack lässig
über der Schulter. Ihre Peitsche schlug bei jedem Schritt gegen ihren Schenkel.
»Lady Isabella«, frohlockte Weirton, »wie schön, Euch wiederzusehen.«
Isabella hielt mitten im Schritt inne und sah sie an. Ihre Augen wurden groß, doch lächelte sie, als sie auf sie zukam.
Jordan konnte nicht umhin, die zwei Frauen zu vergleichen. Die kleine, zierliche Odette und Isabella, die etwa so groß wie er war und bewiesen hatte, dass sie sich und jeden anderen verteidigen konnte. Während Lady Odettes rotes Haar sie wie eine Sonnenuntergangswolke umschwebte, waren Isabellas goldene Locken vom Wind zerzaust und durcheinander. Lady Odette war die verkörperte Vollkommenheit, doch kehrte sein Blick zu Isabella zurück, während Weirton sie seiner Schwester vorstellte.
»Lady Isabella de Montfort, das ist Lady Odette Weirton.«
»Es freut mich, Euch kennen zu lernen, Lady Odette«, sagte sie, ehe sie Weirton anschaute. »Wie gütig, Mylord, dass Ihr gekommen seid, um an diesem Tag bei Jor - bei Lord Courtenay zu sein.«
Isabella schalt sich, weil sie Jordans Namen beiläufig benutzt hatte. Lady Odettes Befremden war ihr nicht entgangen. Sie hob den Sack von der Schulter und legte ihn auf eine Bank. Bei dem fatalen Zwischenfall unweit Kenwick Priory war die Hälfte ihrer Kräuter
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