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Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
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sollte, dass die Mauer ins Torhaus abrutschte, doch bot er einem Angreifer gewisse Vorteile, da man Leitern und schmale Belagerungstürme an die Mauern lehnen konnte.
    Als sie den Abhang hinunterblickte, sah sie, dass schwere Leitern und Teile einer Belagerungsmaschine nur mit großer Mühe den steilen Hang hinaufgeschleppt werden konnten. War das Gras nass, hätte man ebenso gut versuchen können, einen gläsernen Berg zu erklimmen. Vier oder fünf Fuß ebener Boden vor der Mauer stellten keine Gefahr dar.
    Isabella lehnte sich an die unbehauenen Steine. Über sich hörte sie die Stimmen der Wachen, die auf der Wehrmauer patrouillierten. Einer nannte Lady Odettes Namen, ein anderer reagierte mit einem Auflachen. Sie zwang sich, nicht weiter zuzuhören.
    Nebel stieg von den frisch umgepflügten Äckern auf und machte den Burgturm zu einer Insel in einer Wolke, beschienen von Mond und Sternen. Sie ging den Sims zwischen Mauer und Steilabfall in dem trockenen Graben entlang und entfernte sich ein Stück von den schwatzenden Posten. Da das Gras taufeucht war, musste sie auf jeden Schritt achten. Der kalte Wind wollte einfach nicht in seiner Winterkraft nachlassen. Sie hüllte sich enger in ihren Umhang, als sie innehielt und zu den Sternen blickte.
    Sie bewegten sich in demselben Tanz wie jede Nacht, seitdem sie mit ihren Beobachtungen auf dem Dach des Refektoriums
der Abtei begonnen hatte. Zahllose Nächte hatte sie gegen den Schlaf gekämpft, während sie die Bahnen der Gestirne über das Firmament aufzeichnete. Sie hatte entdeckt, dass die Bahnen sich mit den Jahreszeiten änderten, sich aber Jahr für Jahr wiederholten.
    »Hört ihr Musik, die für uns unhörbar ist?«, fragte sie leise. »Spielt der Mond eine wundersame Weise? Wie …«
    »Sprecht Ihr immer mit den Sternen?«
    Erschrocken blickte sie nach rechts. »Jordan, was treibt Ihr hier draußen?«
    »Dasselbe könnte ich Euch fragen.« Seine Worte kamen ein wenig schleppend, als hätte er wieder zu viel getrunken.
    »Ich beobachte den Sternenhimmel zu gern.«
    »Und sprecht mit den Gestirnen?« Er blieb im Dunkel, so dass sie ihn kaum sehen konnte.
    »Es war ein Selbstgespräch.« Sie wollte noch etwas sagen, hielt aber den Atem an, als eine Sternschnuppe über den Himmel fegte, einen Moment lang strahlend, dann erloschen. »Dort!« Sie deutete zum Himmel.
    »Was? Ich sah ein Aufblitzen.«
    »Eine verglühende Sternschnuppe. Jeder Stern hat nur eine gewisse Strahlkraft. Wenn diese verbraucht ist, erlischt er.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Ihr habt es ja selbst gesehen. Augen aufmachen und beobachten - so entdeckt man die Geheimnisse des Himmels.«
    »Und die Geheimnisse der Erde?« Er kam näher, aus dem Dunkel heraus, und stützte sich auf die dicke Steinmauer. Im Mondlicht wirkte sein Gesicht so bar aller Gefühle, dass es die Totenmaske seines Freundes hätte sein können.
    »Ich weiß es nicht. Kommt auf die Geheimnisse an.«

    »Vermutlich.« Er starrte hinaus auf den vom Mondschein beschienenen Nebel unter ihnen.
    Sie vermeinte Lews Stimme zu hören. Lord le Courtenay scheute sich nie, dem Ruf der Pflicht zu folgen, aber immer wenn er fort war, kehrte er verändert zurück. Er lacht weniger und bleibt mehr für sich. Sie wusste wie sein Steward, dass Jordans äußere Wunden im Vergleich zu dem Schmerz, der seine Seele zerriss, geringfügig waren. Sie streckte einen Finger aus und zeichnete die narbige Linie an seiner rechten Schläfe nach.
    Er fasste nach ihrer Hand und schob sie weg. »Ihr habt es zuvor vermieden, diese Stelle zu berühren.«
    »Das war mir nicht bewusst.«
    »Mir aber schon.«
    Sie konnte nicht schlucken, flüsterte aber: »Es tut mir leid.«
    »Euch braucht nichts leidzutun.«
    »Und Ihr braucht Euch wegen nichts zu schämen. Unfälle passieren immer wieder. Und …«
    »Und zuweilen«, warf er ein, »passieren Dinge mit Absicht.«
    »Oder zu einem bestimmten Zweck.«
    »Welchen Zweck könnte eine solche Wunde haben?«
    »Ich weiß es nicht. Was ist passiert?«
    Seine Finger streichelten die empfindliche Haut unter ihrem Handgelenk. »Nichts Außergewöhnliches. Prinz Richard war entschlossen, einige seiner Vasallen zu bestrafen, die sich gegen ihn aussprachen. Wir ritten gegen eine Burg in Aquitanien wie schon zuvor. Ein Hieb spaltete meinen Helm, ich verlor mein Bewusstsein. Man hielt mich für tot und ließ
mich liegen, während die anderen Ritter die Rache des Prinzen vollzogen. Als ich wieder zu mir kam, war das Wüten

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